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IPRax-Heft 2010,3

Neueste Informationen Heft 2010,3


Rom III-VO: Neues Scheidungs-IPR für 10 EU-Staaten?

Die Kommission legte erstmals 2006 einen Vorschlag für die Rom III-VO zum internationalen Scheidungsrecht vor, der aber nicht die erforderliche einstimmige Unterstützung der EU-Regierungen erhielt. Daraufhin erklärten 10 EU-Staaten (Bulgarien, Frankreich, Griechenland, Italien, Luxemburg, Österreich, Rumänien, Slowenien, Spanien und Ungarn), dass sie eine Regelung im Rahmen der sogenannten verstärkten Zusammenarbeit wünschten. Nach dem EUV dürfen neun oder mehr Länder eine Maßnahme einführen, die wichtig ist, aber von einer kleinen Minderheit von Mitgliedstaaten blockiert wird. Andere EU-Länder dürfen sich jederzeit der Maßnahme anschließen. Die Europäische Kommission hat nun erneut einen Vorschlag für eine Rom III-VO zum internationalen Scheidungsrecht vorgelegt. Der Verordnungsvorschlag ist abrufbar unterhttp://ec.europa.eu/justice_home/news/intro/news_intro_en.htm und www.ipr.uni-koeln.de.


EU-Erbrechtsverordnung: Stellungnahme des Deutschen Notarvereins

Die deutsche Übersetzung des Vorschlags der EU-Erbrechts-VO enthält zum Teil gravierende Fehler. Empfehlenswert ist das Arbeiten mit dem französischen Originaltext, zugänglich unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2009:0154:FIN:FR:PDF.

Der Deutsche Notarverein spricht sich in seiner Stellungnahme zu dem Vorschlag unter anderem aus für:

(1)     Die klare Abgrenzung zwischen Erbrecht und Sachenrecht, wobei ersteres nur den Rechtsgrund, letzteres die Art und Weise des Vermögenserwerbs von Todes wegen regeln und letzteres Sache des Belegenheitsstaates bleiben soll.

(2)     Die Anknüpfung der internationalen Zuständigkeit an den leichter feststellbaren letzten Wohnsitz des Erblassers (im Gegensatz zum letzten gewöhnlichen Aufenthalt) mit verbesserten Verweisungsmöglichkeiten an das sachnähere Gericht.

(3)     verbesserte Rechtswahlmöglichkeiten und bessere Regelung von Erbverträgen und gemeinschaftlichen Testamenten im Kollisionsrecht.

(4)     die Zulässigkeit der Rückverweisung im Verhältnis zu Staaten, die nicht Mitglied der EU sind.

(5)     keine allgemeine Regelung über die „Anerkennung“ öffentlicher Urkunden.

(6)     Die Vereinfachung der Vorschriften über den Antrag auf ein und den Inhalt des Europäischen Nachlasszeugnisses.'

(7)     Die Berücksichtigung bereits errichteter Verfügungen im Rahmen der Übergangsvorschriften.

Die Stellungnahme des Deutschen Notarvereins vom 19.1.2010 kann über www.dnotv.de unter Dokumente/Stellungnahme/ Erbrechtsverordnung KOM(2009)154 als pdf heruntergeladen werden. (Mitgeteilt von Dr. Oliver Vossius, München)


Stellungnahmen zum Grünbuch zur Überprüfung der EuGVVO

Die Beiträge, die die Europäische Kommission als Reaktion auf das Grünbuch zur Überprüfung der EuGVVO (veröffentlicht im April 2009 mit dem Bericht der Kommission über ihre Anwendung) erhalten hat, werden auf der Webseite der Generaldirektion Freiheit, Sicherheit und Recht veröffentlicht. Es waren über 120 Beiträge von Regierungen der Mitgliedstaaten, Parlamenten und anderen Behörden, Drittstaaten (Schweiz), Wirtschafts- und Zivilgesellschaftsorganisationen, Nichtregierungsorganisationen und aus dem juristischen und akademischen Sektor gesammelt worden.


Revidiertes Lugano-Übereinkommen von 2007

Das revidierte Lugano-Übereinkommen von 2007 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (einschließlich Dänemark) und Norwegen am 1.1.2010 in Kraft getreten. Art. 69 Nr. 4 des neuen Übereinkommens sieht vor, dass es am ersten Tag des sechsten Monats in Kraft tritt, der auf den Tag folgt, an dem die Europäische Gemeinschaft und ein Mitglied der Europäischen Freihandelsassoziation ihre Ratifikationsurkunden hinterlegt haben. Der Bericht des Rates der Europäischen Union ist unter www.consilium.europa.eu/App/accords/Default.aspx?command=details&id=297&lang= de&aid=2007081&doclang=en abrufbar. Die Schweiz hat angekündigt, dass sie das Lugano-Übereinkommen von 2007 ab dem 1.1.2011 anwenden will und muss dieses daher drei Monate vorher ratifizieren (vgl. Art. 69 Nr. 5). Das Übereinkommen findet im Hinblick auf andere Vertragsstaaten der EFTA, namentlich Island und bis Anfang nächsten Jahres die Schweiz, noch keine Anwendung und wird schließlich das Lugano-Übereinkommen von 1988 ersetzen.


EU und Haager Unterhaltsübereinkommen

Die Europäische Union hat am 8.4.2010 das Haager Unterhaltsübereinkommen vom 23.11.2007 unterzeichnet und ratifiziert.

Die Europäische Union ist damit das erste Mitglied der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht, welches das Haager Unterhaltsübereinkommen bereits ratifiziert hat. Gemäß Art. 25 des Protokolls sind zwei Ratifizierungen erforderlich, damit es in Kraft treten kann.


Deutschsprachige Internetseite der Haager Konferenz

Seit April 2010 ist die deutschsprachige Internetseite der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht über www.hcch.net/index_de.php online erreichbar. In einem Gemeinschaftsprojekt der Justizministerien Deutschlands, Österreichs und der Schweiz werden die Informationen der Haager Konferenz neben den offiziellen Konferenzsprachen Englisch und Französisch auch in deutscher Sprache vorgehalten. Hier können die Übereinkommen der Haager Konferenz auf dem Gebiet des Internationalen Privatrechts in einer deutschsprachigen Fassung abgerufen werden, soweit diese vorhanden ist. Die Haager Konferenz wird von 69 Staaten getragen; an den Abkommen nehmen über 130 Vertragsstaaten teil.


Neues Mediationsgesetz in Italien

Am 20.3.2010 trat das neue italienische Mediationsgesetz in Zivil- und Handelssachen in Kraft (Gazzetta Ufficale n.53 vom 5.3.2010). Danach ist ein vorprozessuales Mediationsverfahren vorgeschrieben in Streitigkeiten über Wohnungseigentum, Sachenrechte, Nachlassangelegenheiten, über bestimmte Familien-, Miet-, Pacht- und Leihverträge, Schadensersatzansprüche aus Verkehrsunfällen oder Arzthaftung, Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Presseerzeugnisse oder andere öffentliche Medien, ferner aus Bank-, Versicherungs- und Finanzverträgen.


Britisches Justizministerium zur Rom I-VO

Das britische Justizministerium hat im Februar 2010 Richtlinien zur Rom I-VO veröffentlicht (abrufbar unter www.justice.gov.uk/about/docs/guidance-law-contractual-obligations-romei.pdf). Als Begründung wurde angeführt, man wolle eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Vorschriften der Verordnung bereitstellen.


Folgerecht und internationales Erbrecht

EuGH 15.4.2010 – Rs. C-518/08 – Fundación Gala-Salvador Dalí, Visual Entidad de Gestión de Artistas Plásticos (VEGAP) ./. Société des auteurs dans les arts graphiques et plastiques (ADAGP), Juan-Leonardo Bonet Domenech u.a.

Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/84/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.9.2001 über das Folgerecht des Urhebers des Originals eines Kunstwerks ist dahin auszulegen, dass er nicht einer innerstaatlichen Rechtsvorschrift wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, nach der auf Folgerechtsvergütungen unter Ausschluss durch Testament eingesetzter Vermächtnisnehmer allein die gesetzlichen Erben des Künstlers Anspruch haben. Es ist daher Sache des vorlegenden Gerichts, für die Anwendung der innerstaatlichen Rechtsvorschrift, durch die Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/84 umgesetzt wird, ordnungsgemäß alle einschlägigen Bestimmungen zu berücksichtigen, die Kollisionen von gesetzlichen Regelungen über den für das Folgerecht geltenden Erbanfall lösen sollen.


Vertragsgerichtsstand bei Dienstleistungsverträgen

EuGH 11.3.2010 – Rs. C-19/09 – Wood Floor Solutions Andreas Domberger GmbH ./. Silva Trade SA

1. Art. 5 Nr. 1 lit. b zweiter Gedankenstrich EuGVVO ist dahin auszulegen, dass diese Bestimmung anwendbar ist, wenn Dienstleistungen in mehreren Mitgliedstaaten erbracht werden.

2. Art. 5 Nr. 1 lit. b zweiter Gedankenstrich EuGVVO ist dahin auszulegen, dass im Fall der Erbringung von Dienstleistungen in mehreren Mitgliedstaaten für die Entscheidung über alle Klagen aus dem Vertrag das Gericht zuständig ist, in dessen Sprengel sich der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung befindet. Bei einem Handelsvertretervertrag ist dies der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung durch den Handelsvertreter, wie er sich aus den Bestimmungen des Vertrags oder, mangels solcher Bestimmungen, aus dessen tatsächlicher Erfüllung ergibt; kann der fragliche Ort nicht auf dieser Grundlage ermittelt werden, so ist auf den Wohnsitz des Handelsvertreters abzustellen.

Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO und Werklieferungsvertrag

EuGH 25.2.2010 – Rs. C-381/08 – Car Trim GmbH ./. KeySafety Systems Srl

1. Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO ist dahin auszulegen, dass Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Ware auch bei bestimmten Vorgaben des Auftraggebers zu Beschaffung, Verarbeitung und Lieferung der Ware, ohne dass die Stoffe von diesem zur Verfügung gestellt wurden, und auch wenn der Lieferant für die Qualität und die Vertragsgemäßheit der Ware haftet, als „Verkauf beweglicher Sachen“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b erster Gedankenstrich dieser Verordnung einzustufen sind.

2. Art. 5 Nr. 1 lit. b erster Gedankenstrich EuGVVO ist dahin auszulegen, dass bei Versendungskäufen der Ort, an dem die beweglichen Sachen nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen, auf der Grundlage der Bestimmungen dieses Vertrags zu bestimmen ist. Lässt sich der Lieferort auf dieser Grundlage ohne Bezugnahme auf das auf den Vertrag anwendbare materielle Recht nicht bestimmen, ist dieser Ort derjenige der körperlichen Übergabe der Waren, durch die der Käufer am endgültigen Bestimmungsort des Verkaufsvorgangs die tatsächliche Verfügungsgewalt über diese Waren erlangt hat oder hätte erlangen müssen.


Produkthaftungs-Richtlinie und nationales Recht

EuGH 2.12.2009 – Rs. C-358/08 – Aventis Pasteur SA ./. OB

1. Art. 11 der Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25.7.1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, die während eines gerichtlichen Verfahrens einen Beklagtenwechsel zulässt, entgegensteht, soweit sie so angewandt wird, dass ein Hersteller im Sinne von Art. 3 der Richtlinie nach Ablauf der in dieser Vorschrift vorgesehenen Frist als Beklagter in einem während dieser Frist gegen eine andere Person eingeleiteten gerichtlichen Verfahren in Anspruch genommen werden kann.

2. Jedoch ist Art. 11 der Richtlinie 85/374 einerseits so auszulegen, dass das nationale Gericht in Fällen, in denen es feststellt, dass tatsächlich der Hersteller des fraglichen Produkts bestimmt hat, dass es in den Verkehr gebracht wird, nicht durch diese Vorschrift daran gehindert ist, in dem Gerichtsverfahren, das innerhalb der in dieser Vorschrift genannten Frist gegen die hundertprozentige Tochtergesellschaft des Herstellers im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie eingeleitet worden ist, davon auszugehen, dass diese Tochtergesellschaft durch diesen Hersteller ersetzt werden kann.

3. Andererseits ist Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 85/374 so auszulegen, dass in den Fällen, in denen der durch ein als fehlerhaft angesehenes Produkt Geschädigte den Hersteller dieses Produkts bei verständiger Betrachtung nicht feststellen konnte, bevor er seine Ansprüche gegenüber seinem Lieferanten geltend machte, dieser Lieferant namentlich für die Zwecke des Art. 11 der Richtlinie als „Hersteller“ zu behandeln ist, wenn er dem Geschädigten nicht von sich aus und ohne Säumen den Hersteller oder seinen eigenen Lieferanten benannt hat, was das nationale Gericht unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zu prüfen hat.


Gläubiger im Sinne von Art. 3 Abs. 4 EuInsVO

Vorabentscheidungsersuchen des Hof van Cassatie van België (Belgien) an den EuGH vom 1.3.2010 – Rs. C-112/10 – Procureur-Generaal bij het Hof van Beroep te Antwerpen ./. Zaza Retail BV (Phillippe und Cécile Noelmans in ihrer Eigenschaft als Konkursverwalter der Zaza Retail BV [Belgien])

1. Umfasst der Begriff „die Bedingungen, die [...] vorgesehen sind“ in Art. 3 Abs. 4 lit. a EuInsVO auch die Bedingungen, die eine für die Beantragung des Insolvenzverfahrens erforderliche Eigenschaft oder das dafür erforderliche Interesse einer Person – wie der Staatsanwaltschaft eines anderen Mitgliedstaats – betreffen, oder beziehen sich diese Bedingungen nur auf die materiellen Voraussetzungen für die Eröffnung und Durchführung dieses Verfahrens?

2. Kann der Begriff „Gläubiger“ in Art. 3 Abs. 4 lit. b EuInsVO weit ausgelegt werden, so dass auch eine nationale Behörde, die nach dem Recht des Mitgliedstaats, zu dem sie gehört, dafür zuständig ist, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, und im allgemeinen Interesse und als Vertreter der Gesamtheit der Gläubiger auftritt, im vorliegenden Fall rechtsgültig die Eröffnung eines Partikularinsolvenzverfahrens nach Art. 3 Abs. 4 lit. b EuInsVO beantragen kann?

3. Ist, wenn der Begriff „Gläubiger“ auch eine nationale Behörde umfasst, die dafür zuständig ist, einen Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens zu stellen, es für die Anwendung von Art. 3 Abs. 4 lit. b EuInsVO notwendig, dass diese nationale Behörde nachweist, dass sie im Interesse von Gläubigern handelt, die ihrerseits ihren Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Land dieser nationalen Behörde haben?


Lieferort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO

Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale Ordinario di Vicenza (Italien) an den EuGH vom 15.2.2010 – Rs. C-87/10 – Electrosteel Europe SA ./. Edil Centro SpA

Sind Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO und allgemein das Gemeinschaftsrecht, wonach der Erfüllungsort für den Verkauf beweglicher Sachen der Ort ist, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen, in dem Sinne auszulegen, dass der für die Bestimmung des zuständigen Gerichts maßgebende Ort der Lieferung der endgültige Bestimmungsort der Waren ist, die Gegenstand des Vertrags sind, oder der Ort, an dem sich der Käufer auf der Grundlage des im Einzelfall anwendbaren materiellen Rechts von seiner Lieferpflicht befreit, oder muss die angeführte Norm anders ausgelegt werden?


Auslandsvollstreckung eines Ordnungsgeldes und EuVTVO

BGH 25.3.2010 – I ZB 116/08

1. Die Justizbeitreibungsordnung steht der Vollstreckung eines Ordnungsgeldes gemäß § 890 ZPO im Ausland nicht entgegen.

2. Die Vollstreckung eines in einem Ordnungsmittelverfahren gemäß § 890 ZPO ergangenen Beschlusses stellt eine Zivil- und Handelssache i.S. des Art. 2 Abs. 1 S. 1 EuVTVO dar.

3. Der Antrag auf Bestätigung eines in einem Ordnungsmittelverfahren gemäß § 890 ZPO ergangenen Beschlusses als Europäischer Vollstreckungstitel kann auch vom Gläubiger gestellt werden, der den Beschluss erwirkt hat.

4. Das für die Heilung von Belehrungsmängeln gemäß Art. 16 und 17 EuVTVO nach Art. 18 Abs. 1 lit. b EuVTVO bestehende Erfordernis einer Rechtsmittelbelehrung gilt auch für in Beschlussform ergangene Entscheidungen.

5. Die Möglichkeiten einer Heilung der Nichteinhaltung der in den Art. 13 bis 17 EuVTVO festgelegten verfahrensrechtlichen Erfordernisse sind in Art. 18 EuVTVO abschließend geregelt.


Sicherungsvollstreckung und EuGVVO

BGH 11.3.2010 – IX ZB 94/07

Auch für eine bloße Sicherungsvollstreckung ist Voraussetzung, dass im Urteilsstaat eine vollstreckbare Entscheidung vorliegt. Mit der Aufhebung oder Aussetzung der Vollstreckbarkeit im Ursprungsstaat fehlt eine nach der EuGVVO anzuerkennende Entscheidung.


Internationale Brokerhaftung: IZPR und IPR

BGH 9.3.2010 – XI ZR 93/09

1. Deutsche Gerichte sind international zuständig für Klagen gegen ausländische Broker, die Beihilfe zu einer im Inland begangenen unerlaubten Handlung leisten.

2. Ein ausländischer Broker beteiligt sich bedingt vorsätzlich an einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung von Kapitalanlegern durch einen inländischen Terminoptionsvermittler, wenn er diesem ohne Überprüfung seines Geschäftsmodells bewusst und offenkundig den unkontrollierten Zugang zu ausländischen Börsen eröffnet.


Internetverletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

BGH 2.3.2010 – VI ZR 23/09

1. Die deutschen Gerichte sind zur Entscheidung über Klagen wegen Persönlichkeitsbeeinträchtigungen durch im Internet abrufbare Veröffentlichungen international zuständig, wenn die als rechtsverletzend beanstandeten Inhalte objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland in dem Sinne aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen – Interesse des Klägers an der Achtung seines Persönlichkeitsrechts einerseits, Interesse des Beklagten an der Gestaltung seines Internetauftritts und an einer Berichterstattung andererseits – nach den Umständen des konkreten Falls, insbesondere aufgrund des Inhalts der beanstandeten Meldung, im Inland tatsächlich eingetreten sein kann oder eintreten kann.

2. Dies ist dann anzunehmen, wenn eine Kenntnisnahme von der beanstandeten Meldung nach den Umständen des konkreten Falls im Inland erheblich näher liegt als es aufgrund der bloßen Abrufbarkeit des Angebots der Fall wäre und die vom Kläger behauptete Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts durch Kenntnisnahme von der Meldung (auch) im Inland eintreten würde.


Konkurrenz zwischen EuGVVO und EuVTVO

BGH 4.2.2010 – IX ZB 57/09

Im Verfahren der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Titels kommt eine Erledigung der Hauptsache allenfalls in Betracht, wenn sich das erledigende Ereignis erst im Beschwerderechtszug verwirklicht.

Eine Vollstreckbarerklärung auf der Grundlage der EuGVVO scheidet aus, wenn eine Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel vorliegt.


Anerkennung einer Säumnisentscheidung nach EuGVVO

BGH 17.12.2009 – IX ZB 124/08

Die Anerkennung einer in Abwesenheit ergangenen Entscheidung darf nicht nach Art. 34 Nr. 2 EuGVVO versagt werden, wenn der Beklagte gegen die in Abwesenheit ergangene Entscheidung einen Rechtsbehelf einlegen konnte, mit dem er geltend machen konnte, dass ihm das verfahrenseinleitende Schriftstück oder das gleichwertige Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden sei, dass er sich habe verteidigen können.


Vereinsmitgliedschaft und Art. 22 Nr. 1 EuGVVO

BGH 16.12.2009 – VIII ZR 119/08

Ein Vertrag über eine Vereinsmitgliedschaft ist kein Mietvertrag im Sinne von Art. 22 Nr. 1 EuGVVO, wenn er neben einem Ferienwohnrecht über ein bestimmtes Appartement weitere Rechte und Pflichten umfasst, die über die Übertragung des Nutzungsrechts hinausgehen und den Vertrag auch wirtschaftlich entscheidend prägen.


Restriktive Anerkennung der Vollstreckung von einstweiligen Verfügungen

BGH 10.12.2009 – IX ZB 143/07

1. Eine Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung durch den Vollstreckungsstaat kommt ungeachtet der Frage, ob die Antragsteller gegen die Aufhebung des Beschlusses in Italien Rechtsmittel eingelegt haben, mangels Vorliegens eines für die Vollstreckbarerklärung geeigneten Titels nicht mehr in Betracht, wenn der Arrestbeschluss von dem Gericht in Lucca nach Anhörung der Antragsgegner aufgehoben wurde.

2. Entscheidungen der Gerichte anderer Mitgliedsstaaten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, denen kein kontradiktorisch angelegtes Verfahren vorausgegangen ist, können nicht anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden.


Einwand des Prozessbetrugs

BGH 10.12.2009 – IX ZB 103/06

Zwar kann der Antragsgegner in einem Anerkenntnisverfahren zur Vollstreckbarerklärung ausländischer Urteile, der sich im Ausland nicht eingelassen hat, im Anerkennungsverfahren die Rüge erheben, dass das Urteil durch vorsätzlich falschen Prozessvortrag erschlichen worden sei. Das Anerkenntnisverfahren zur Vollstreckbarerklärung ausländischer Urteile soll aber keinesfalls zu einer Nachprüfung der ausländischen Entscheidung in der Sache führen. An das Vorbringen des Antragsgegners in den Tatsacheninstanzen, mit denen dieser seinen Betrugsvorwurf belegen will, sind deshalb hohe Anforderungen zu stellen.


Morgengabe als Ehewirkung

BGH 9.12.2009 – XII ZR 107/08

1. Der Anspruch auf eine nach iranischem Recht vereinbarte Morgengabe unterliegt – als allgemeine Wirkung der Ehe – dem von Art. 14 EGBGB berufenen Sachrecht.

2. Zu den nach deutschem Sachrecht bestehenden Möglichkeiten, einen als Morgengabe in iranischer Währung vereinbarten Betrag an die iranische Geldwertentwicklung anzupassen.


Berufungseinlegung und Auslandswohnsitz

BGH 22.10.2009 – IX ZB 294/08

Wird im ersten Rechtszug neben dem in der Klageschrift angegebenen ausländischen Wohnsitz des Beklagten im Blick auf die Zuständigkeit des Gerichts auch ein inländischer Wohnsitz in den Raum gestellt, so ist die unbeanstandete ausländische Anschrift, unter der dem Beklagten die Klage auf Veranlassung des Klägers tatsächlich zugestellt wurde, für die Bestimmung des Berufungsgerichts maßgeblich.


Form der Eheschließung und Erbscheinserteilung

OLG München 1.2.2010 – 31 Wx 37/09

Der Erteilung eines Erbscheins aufgrund gesetzlicher Erbfolge zugunsten der Ehefrau eines deutschiranischen Staatsangehörigen steht nicht entgegen, dass die der Form des Ortsrechts entsprechende Eheschließung in einem Drittstaat (hier: Kalifornien) im Iran nicht anerkannt wird.


Räumlicher Geltungsbereich von Untersagungsverfügungen

OLG Köln 29.1.2010 – 6 W 145/09

Ist dem Geschäftsführer einer ausländischen Gesellschaft von einem deutschen Gericht untersagt worden, geschäftsschädigende Äußerungen über einen in Deutschland ansässigen Konkurrenten, die er in Interviews gegenüber deutschen Medien gemacht hatte, zu wiederholen, so erstreckt sich der Geltungsbereich des Verbotes nicht auf ein im Ausland (hier: London) in englischer Sprache einem dortigen Fernsehsender gegebenes Interview, wenn dessen Programm in Deutschland zwar – wie weltweit – empfangbar ist, aber kaum zur Kenntnis genommen wird.


Auswirkungen der Grunkin Paul-Entscheidung

OLG München 19.1.2010 – 31 Wx 152/09

Der Anwendungsvorrang des europäischen Gemeinschaftsrechts kann es gebieten, den für ein in England geborenes deutsches Kind von seinen deutschen Eltern bestimmten, aus den Namen der Eltern zusammengesetzten Doppelnamen in das deutsche Geburtenregister einzutragen, auch wenn dieser Name dem auf den Fall anwendbaren deutschen Namensrecht widerspricht.


Deliktsgerichtsstand für Geschäftsführerhaftung

OLG Karlsruhe 22.12.2009 – 13 U 102/09

Bei dem Anspruch aus Geschäftsführerhaftung gem. § 64 Abs. 1 und 2 GmbHG handelt es sich um einen Anspruch aus unerlaubter Handlung i.S.d. Art.5 Nr.3 EuGVVO.


Anti-suit injunction gegen Drittstaatenprozess

Brit. High Court of Justice 6.11.2009 – [2009] EWHC 2783 (Ch) – Skype Technologies SA v. Joltid Ltd. & others

Sieht eine Parteivereinbarung einen ausschließlichen Gerichtsstand in England vor und hat der Prozess dort bereits begonnen, ist eine anti-suit injunction (nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs handelt es sich hierbei um einen Eingriff in die Zuständigkeit eines anderen Gerichts) angemessen, um einen Prozess in den USA zu verhindern.


Veranstaltungshinweise

- Am 20./21.5.2010 veranstaltet die Europäische Rechtsakademie (ERA) in Trier eine Tagung zum Thema „Grenzüberschreitende Insolvenzverfahren in der EU“. Hierbei sollen insbesondere die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in diesem Bereich analysiert und unklare Themen, mit denen sich die Rechtsprechung in der Zukunft befassen wird, diskutiert werden. Das Programm und weitere Informationen sind unter www.era.int zu finden.

- Am 31.5.2010 um 20.00 Uhr veranstaltet die Interdisziplinäre Gesellschaft für Komparatistik und Kollisionsrecht in Kooperation mit der Universität Wien, dem Institut für Europäisches Schadensersatzrecht, dem European Center for Tort and Insurance Law und dem Jan Sramek Verlageine Podiumsdiskussion in englischer und deutscher Sprache zum Thema „Proportional Liability – Haftung nach Wahrscheinlichkeitsquoten“ im Hörsaal Rechtswissenschaften (Juridicum II) der Universität Wien, Schenkenstr. 8–10, 1010 Wien. Anmeldung bis zum 25.5.2010 unter +43 (1) 72910 7140 oder organisationSpamProtectionigkk.org.

- Am 4./5.6.2010 findet an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) eine von der Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht (GPR) in Verbindung mit dem Frankfurter Institut für das Recht der Europäischen Union (FIREU) veranstaltete Tagung zum Thema „Vollharmonisierung im Europäischen Verbraucherrecht“ statt. Nähere Informationen erteilt Prof. Dr. Michael Stürner, Tel. +49/335/5534-2815;stuernerSpamProtectioneuv-frankfurt-o.dewww.rewi.europa-uni.de/ipr.

- Das Heidelberg Center for International Dispute Resolution veranstaltet in Kooperation mit derInternational Chamber of Commerce (ICC) und der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit(DIS) vom 16.–19.6.2010 die 7. Heidelberger Sommerakademie zur Internationalen Streitbeilegung. Nähere Informationen unter www.heidelberg-center.org; E-Mail: academySpamProtectionheidelberg-center.org und bei Wiss. Mit. Oliver Fleig, Tel. +49 (0) 6221 54 2209 oder Wiltrud Hillmann (Sekr.), Tel. +49 (0) 6221 54 2242.

- Prof. Dr. Götz Schulze und Prof. Dr. Andrea Bonomi veranstalten in Zusammenarbeit mit dem Institut für Erbrecht e.V. (Konstanz) am 17./18.6.2010 die Internationalen Erbrechtstage der Universität Lausanne. Informationen unter www.unil.ch/cda, eine Anmeldung ist beim Institut für Erbrecht, Wallgutstr. 7, 78462 Konstanz, Tel.: +49 (0) 7531 3655820, Fax: +49 (0) 7531 3655822 (Frau Helmer), E-Mail: infoSpamProtectionerbrecht-institut.de möglich.

- Am 17./18.6.2010 veranstalten die Juristische Fakultät der Erasmus Universität Rotterdam und dieUniversität Maastricht eine Konferenz zum Thema „Civil Litigation in a Globalizing World; a Multidisciplinary Perspective“. Informationen sind unterwww.frg.eur.nl/pri/sectie_internationaal_privaatrecht_en_privaatrechtelijke_rechtsvergelijking/conference/abrufbar.

Stand: 28.02.2010

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