PAX Moot Court im internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht
Der PAX Moot Court ist der einzige Wettbewerb seiner Art, der dezidiert dem europäischen internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht gewidmet ist. Er wird von der Europäischen Kommission im Rahmen des Civil Justice Programme gefördert und bietet Studierenden die Möglichkeit, das komplexe Zusammenspiel der internationalen Übereinkommen und EU-Verordnungen im internationalen Privatrecht in der Anwendung zu erleben.
Während des Wettbewerbs bearbeiten die Teams einen grenzüberschreitenden Fall aus Anwaltsperspektive, der komplexe Fragen zum internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht aufwirft. Beispielsweise stand letztes Jahr die europäische Rechtsprechung zum Deliktsgerichtsstand sowie zum anwendbaren Recht bei Vermögensschäden und Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Mittelpunkt. Zugleich warf der Fall Fragen zum Verbraucherschutz, zu Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten von Drittstaaten sowie zur elterlichen Sorge nach dem Haager Kinderschutzübereinkommen auf.
Die Teams vertreten ihre Positionen zunächst in Schriftsätzen und treten anschließend in mündlichen Verhandlungen gegen Teams von Universitäten aus der ganzen Welt an. Die mündlichen Verhandlungen finden jedes Jahr an einer anderen Universität statt, die Finalrunden meist vor einem Gericht oder am Sitz der Kommission. Der PAX Moot Court 2025 wird voraussichtlich in Maastricht stattfinden.
Betreuung
Die Universität zu Köln nimmt seit 2019 mit einem Team an dem Wettbewerb teil, das am Institut für internationales und ausländisches Privatrecht betreut wird. Das Team wird über den gesamten Wettbewerb hinweg durch eine:n Wissenschaftliche:n Mitarbeiter:in des Instituts gecoacht. Zudem werden Probeverhandlungen mit erfahrenen Rechtsanwält:innen durchgeführt. Zuletzt hatte das Team die Gelegenheit, Probeverhandlungen vor Rechtsanwält:innen der Kanzleien Cleary GottliebSteen & Hamilton (Köln), Freshfields Bruckhaus Deringer (Düsseldorf) und Hengeler Mueller (Düsseldorf) durchzuführen.
Ablauf
Der Moot Court gliedert sich in eine Schriftsatz- und eine Pleadingphase. Anhand des Sachverhalts, der voraussichtlich im November veröffentlicht werden wird, erarbeiten die Teilnehmenden (bis Mitte März) zunächst Schriftsätze sowohl für die Kläger- als auch die Beklagtenseite. Am Ende der Pleadingphase (bis Ende April) reist das Team an den Veranstaltungsort und vertritt in mehreren Runden abwechselnd Kläger und Beklagten gegen die Teams anderer Universitäten aus der ganzen Welt.
Teilnahmevoraussetzungen
Für die Teilnahme am PAX Moot Court sind Englischkenntnisse sowie Grundkenntnisse im Internationalen Privat- oder Verfahrensrecht erforderlich. Wichtiger noch sind Motivation, Kreativität sowie die Bereitschaft zur Teamarbeit. Die Teilnahme am PAX Moot Court lässt sich mit dem Studium vereinbaren. Das Besuchen von Vorlesungen und das Schreiben von Klausuren neben den Arbeiten am Moot Court ist möglich. Arbeiten an den Schriftsätzen fallen in der Zeit von Mitte November bis Mitte März an. Hier ist mit einem Arbeitsaufwand von ungefähr einem Wochenarbeitstag zu rechnen, wobei die Teilnehmenden sich die Zeit flexibel einteilen können. Die Pleadingphase ist im April. Recherchemöglichkeiten bestehen am Institut für internationales und ausländisches Privatrecht, das auch die Organisation übernimmt und den Teilnehmer:innen jede zulässige Unterstützung zukommen lässt.
Ein belgisches Diamanten-Unternehmen betreibt mittels einer Strohmann-Gesellschaft eine Diamanten-Mine in dem fiktiven afrikanischen Staat Almasi. Die Arbeitsbedingungen in der Mine sind sehr schlecht und auch die Umweltschäden, die durch die Mine verursacht werden, beeinträchtigen die Gesundheit der lokalen Arbeiter. 2014 verhängt die Regierung aufgrund eines anhaltenden Grenzkonflikts Kriegsrecht und zieht alle Männer zum Kriegsdienst ein. Auch wenn die Männer in der Folge eingezogen wurden, wurden sie durch das Militär gezwungen, weiter in den Minen zu arbeiten. Bezahlt wurden sie für ihre Arbeit nun nicht mehr, die Arbeitsbedingungen ähnelten nunmehr denen eines Arbeitslagers. Während dieser Zeit wurden zahlreiche Menschenrechtsverletzungen an den Arbeitern begangen.
Durch einen Coup d’état im Jahre 2019 kam eine neue Regierung an die Macht, das Kriegsrecht wurde aufgehoben und die Arbeitsbedingungen in der Mine verbesserten sich wieder. Die neue Regierung erlässt allerdings ein Amnestie-Gesetz zugunsten der ehemaligen Regierung und almasischen Unternehmen.
Eine Gruppe Minenarbeiter hat in Almasi und Antwerpen verschiedene Klagen erhoben. Sie begehren nicht nur das Unterlassen der Umweltschädigungen durch die belgischen Unternehmen, sondern auch Schadensersatz für ihre erlittenen Gesundheitsschädigungen.
2020/2021
Die US-Firma Global Medical ist dabei, einen Impfstoff gegen COVID-19 zu entwickeln. Der Impfstoff wird an Freiwilligen aus Hira, einem fiktiven Staat in Südost-Asien, getestet. Dafür hat Global Medical ein lokal ansässiges Labor (Vipimo) beauftragt, welches selbstständig die Freiwilligen angeworben hat. Durch einen Whistleblower kommt heraus, dass der Impfstoff nicht nur den Freiwilligen, sondern generell der Bevölkerung zugänglich gemacht wurde, die mit falschen Versprechungen von der Impfung überzeugt wurden. Dies wird nur gemacht, um eine bessere Datenlage zur Verträglichkeit des Impfstoffs zu haben. Global Medical und Vipimo leugnen dies und betonen, dass sie keine Gesetze aus Hira verletzt hätten.
Statt auf Squalen (eine Substanz, die aus der Leber von Walen gewonnen wird), setzt Global Medical für seinen Impfstoff auf einen halbsynthetischen Ersatzstoff. Dieser löst jedoch schwere allergische Reaktionen bei einem viel größeren Teil der Testpersonen aus, als erwartet. Die Testpersonen wurden trotz dieser Reaktionen nach Hause geschickt und nicht medizinisch behandelt. Außerdem stellt sich heraus, dass die Wirkung der Impfung nur sechs Monate lang hält.
Global Medical verändert seinen Impfstoff, sodass er sicherer wird und eine 90%ige Wirksamkeit hat.
Als die Regierung von Hira im Januar 2021 10 Millionen Impfdosen bestellt, wird sie von Global Medical auf das nächste Jahr vertröstet, damit das Unternehmen erst den europäischen und US-amerikanischen Markt bedienen kann. Global Medical ist auch nicht einverstanden damit, die durch Patent geschützte Formel für den Impfstoff zugänglich zu machen.
Ms. Li, die Whistleblowerin, hat ihren Job bei Global Medical verloren. Sie stiehlt die Formel des Impfstoffes und möchte, mit Unterstützung der Regierung von Hira, mit der eigenständigen Produktion des Impfstoffs beginnen.
Ms. Li und andere Testpersonen klagen gegen Global Medical in Belgien auf Schadensersatz für den Schaden, den sie durch die unrichtigen Informationen und die Impfstofftestung erlitten haben. Global Medical auf der anderen Seite klagt gegen Ms. Li, um die Produktion und den Verkauf des Impfstoffs zu verhindern. Sie stützen sich dabei auf ihre Patente.
2021/2022
Mr. Smith ist Anwalt, arbeitet in Großbritannien und Singapur, und berät Investoren hinsichtlich Investments in umweltfreundliche Unternehmen. Er selbst beschließt, 4.5 Mio EUR in 10 Pariser Apartments zu investieren, um diese in umweltfreundliche Büroräume umzubauen. Einen Teil dieser Räumlichkeiten will er dann NGO’s zur Verfügung stellen. Zur Finanzierung dieses Projekts nimmt er ein Darlehen bei der Singapore Investment Bank auf. Aufgrund des Ausbruchs von COVID-19 verliert Mr. Smith 2020 seine Arbeit und kann die Raten ab Juli 2020 nicht mehr zahlen. Die Singapore Investment Bank leitet ein europäisches Mahnverfahren gegen ihn ein, da es ihr aber nicht gelingt, den Aufenthaltsort von Mr. Smith ausfindig zu machen, wird der Mahnbescheid über Facebook Messenger zugestellt. Mr. Smith strengt bald darauf eine Mediation nach der Singapore Convention on Mediation an, die in einer Vereinbarung zwischen beiden Parteien mündet. Es bleibt unklar, ob Mr. Smith die Bedingungen aus dieser Vereinbarung erfüllen kann. Die Singapore Investment Bank erhebt nach Ablauf der in der Mediations-Vereinbarung geregelten Frist Klage auf Rückzahlung der gesamten Darlehenssumme gegen Mr. Smith in Paris.
Mr. Smith stellt sich auf den Standpunkt, das Pariser Gericht sei nicht international zuständig. Außerdem müsse der Mahnbescheid für nichtig erklärt werden, da ihm dieser nicht ordnungsgemäß zugestellt wurde. Zuletzt sei bei alledem zu beachten, dass er im Rahmen des Darlehensvertrages mit der Singapore Investment Bank als Verbraucher anzusehen sei.
2022/2023
Das Unternehmen FGS unterhält ein Schiff, das im Hafen von Antwerpen liegt und dort betankt werden soll. FGS beauftragt eine Zwischenhändlerin mit der Betankung mit Motoröl, die wiederum das nigerianische Unternehmen CFuel mit der Betankung beauftragt. Im März 2022 betankt CFuel das Schiff vereinbarungsgemäß im Antwerpener Hafen. Aufgrund der Insolvenz der Zwischenhändlerin erhält CFuel jedoch keine Entlohnung. CFuel klagt daher im Oktober 2022 vor dem Handelsgericht von Antwerpen gegen FGS (und gegen die insolvente Zwischenhändlerin) auf Zahlung.
Daraufhin erhebt FGS Gegenklage auf Schadensersatz mit der Behauptung, das gelieferte Öl sei minderwertig gewesen und habe kurz nach Verlassen des Hafens von Antwerpen einen Motorschaden am Schiff verursacht. Bei der Reparatur des Motors sei dann die gesamte Crew erkrankt und musste ausgewechselt werden.
Zwischen den Parteien streitig ist zunächst, ob das Antwerpener Gericht für Klage und Gegenklage zuständig ist. CFuel stützt sich auf den Vertragsgerichtsstand, FGS bestreitet diese Zuständigkeit jedoch wegen der fehlenden Vertragsbeziehung zwischen den Parteien, da schließlich eine Zwischenhändlerin involviert war. Für die Gegenklage weist CFuel darauf hin, aufgrund des eigenen Sitzes in Nigeria nicht in Antwerpen verklagt werden zu können. Auch die Bedeutung des in den Niederlanden geführten Insolvenzverfahrens der Zwischenhändlerin für das Verfahren zwischen CFuel und FGS in Antwerpen ist umstritten.
Außerdem wird um das auf FGS’s eventuelle Schadensersatzansprüche anwendbare Recht gestritten. Zweifelhaft ist auch, ob das Antwerpener Gericht einen belgischen Sachverständigen nach Spanien entsenden kann, um dort den Schiffsmotor zu begutachten, da das Schiff mittlerweile nicht mehr in Antwerpen, sondern in Algeciras liegt.
2023/2024
Die 16-jährige Schülerin Giulia erstellt Kurzvideos über lokale, slowenische Prominente und lädt diese auf der Social-Media-Plattform MyStream hoch. Mit der Zeit wird sie dort so beliebt, dass MyStream Europe, die europäische Tochter von MyStream mit Sitz in Tallinn (Estland), ihr einen Vertrag über die Teilnahme am MyStream Creator Program (kurz: MySCP) anbietet. Dieses Programm ermöglicht es unter anderem Werbung zu schalten und Geld zu verdienen.
Giulias Eltern – ihr Vater Slowene, ihre Mutter Italienerin – waren nie verheiratet und leben seit 2015 getrennt. Seit der Trennung lebt Giulia bei ihrer Mutter und zieht mir ihr 2023 nach Triest (Italien), während ihr Vater in Ljubljana bleibt. Als Giulia das Angebot von MyStream Europe unterbreitet wird, schließt Giulias Mutter diesen Vertrag für Giulia und unterstützt sie in der Folge beim Posten der Videos.
Nach dem Umzug besucht Giulia regelmäßig ihren Vater in Slowenien, der mittlerweile mit einer bekannten slowenischen Skiläuferin, Lydia Saro, verheiratet ist. Während ihrer Besuche bei ihrem Vater nimmt Giulia Videos von Saro auf und lädt diese hoch. Saro ist „Brand Ambassador“ für den Sportbekleidungshersteller Feline SE mit Sitz in Österreich und vertraglich verpflichtet, bei öffentlichen Auftritten nur Bekleidung dieses Herstellers zu tragen. Auf den von Giulia aufgenommenen Videos ist Saro jedoch auch mit anderer Kleidung zu sehen, was zur Kündigung des Sponsorship-Vertrags durch Feline SE führt.
Saro klagt deswegen in Ljubljana gegen Giulia, ihre Mutter und MyStream Europe auf Schadensersatz und Löschung der Videos. Zudem klagt Giulias Vater in ihrem Namen gegen MyStream Europe auf Feststellung der Nichtigkeit des zwischen Giulia und MyStream Europe geschlossenen MySCP-Vertrags, da er dem Vertragsschluss nicht zugestimmt habe.