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IPRax-Heft 2011,5

Neueste Informationen Heft 2012,5

Ausschreibung der Stelle des Generalsekretärs der Haager Konferenz

Die Stelle des Generalsekretärs der Haager Konferenz (Nachfolge Hans van Loon) steht zur Besetzung an. Informationen dazu unter: http://www.hcch.net/index_de.php.

EU-Kommission startet Konsultation zum Verkehrsunfallrecht und (internationalen) Verjährungsrecht

Die EU-Kommission hat einen öffentlichen Konsultationsprozess begonnen, aus dem sich Lösungsvorschläge für das Problem der national divergierenden Verjährungsfristen für Verkehrsunfallersatzansprüche ergeben sollen. Der Konsultationsprozess ist das Ergebnis der von der Kommission in Auftrag gegebenen Studie zum Thema der Kompensation der Geschädigten bei grenzüberschreitenden Verkehrsunfällen (http://ec.europa.eu/internal_market /insurance/docs/motor/20090129report_en.pdf). Weitere Informationen und weiterführende Links sind der Pressemitteilung der Kommission zu entnehmen (http://europa. eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/12/807&format=HTML&aged=0&language=DE).

Gesetzesentwurf zur Anpassung an die Rom III-VO

Die Bundesregierung hat mittlerweile einen Gesetzesentwurf zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 (Rom III-VO) und zur Änderung anderer Vorschriften des Internationalen Privatrechts vorgelegt:http://www.bundesrat.de/nn_8694/SharedDocs/Drucksachen/2012/0401-500/468-12,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/468-12.pdf.

ErbRVO und www.successions-europe.eu

Am 27.7.2012 wurde die EU-Erbrechtsverordnung im Amtsblatt Nr. L 201 veröffentlicht. Damit gilt die Verordnung über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses in ihren wesentlichen Teilen ab dem 17.8.2015 (vgl Art. 84 ErbVO). Sie ist abrufbar unter http://eurlex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2012:201:0107:0134:DE:PDF. In diesem Zusammenhang wird auf das vom Conseil des Notariats de l’Union européenne (C.N.U.E.) eingerichtete Erbrechtsportal (www.successions-europe.eu) mit Detailinformationen über das internationale und materielle Erbrecht sowie das Erbverfahrensrecht der Mitgliedstaaten hingewiesen.

Neues spanisches Mediationsrecht

Am 27.7.2012 ist in Spanien das Gesetz 5/2012 in Kraft getreten. Es ist auf Mediationen in Zivil- und Handelssachen, einschließlich grenzüberschreitender Streitigkeiten anwendbar. Enthalten sind außerdem Vorschriften betreffend die Vollstreckung von Abschlussvereinbarungen. Umgesetzt wird hiermit die Richtlinie 2008/52/EG vom 21.5.2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen.

Libel tourismus und EuGVVO

In einer Erklärung vom 5.7.2012 hat das Ministerkomitee des Europarats vor den Gefahren des sog. „Verleumdungsklagen-Tourismus“ („libel tourism“) insbesondere mit Blick auf die Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit gewarnt. Die Erklärung kann abgerufen werden unter: https://wcd.coe.int/ViewDoc.jsp?id=1958787&Site=CM&BackColorInternet=C3C3C3 &BackColorIntranet=EDB021&BackColorLogged=F5D383.

Herbert Kronke zum Richter am Iran-United States Claims Tribunal ernannt

Herbert Kronke, Mitherausgeber dieser Zeitschrift und Professor an der Juristischen Fakultät der Universität Heidelberg, ist am 28.6.2012 von der unter den „Declarations of Algiers“ vom 19.1.1981 designierten Appointing Authority mit Wirkung zum 1.9.2012 zum Mitglied des Iran-United States Claims Tribunal ernannt worden. Das Tribunal besteht aus drei iranischen, drei US-amerikanischen und drei neutralen Richtern. Es hat seit seiner Einrichtung mehr als 3.900 Fälle entschieden. Weitere Informationen unter: http://www.iusct.net/.

Russland: Novelle zum Zivilgesetzbuch in erster Lesung durch die Staatsduma gebilligt

IPRax hatte bereits in Heft 3/2010 (S. 265–268) über das ambitionierte Vorhaben der Russischen Föderation zur Weiterentwicklung ihres Zivilrechts berichtet. Nach vierjähriger Vorbereitungsarbeit brachte der vormalige Präsident, Dmitri Medwedew, am 3. April dieses Jahres den Entwurf eines Föderalen Gesetzes zur Änderung des Zivilgesetzbuches der Russischen Föderation (ZGB/RF) sowie einzelner Gesetzgebungsakte in die Staatsduma (??????????????? ????), der ersten Kammer des Parlaments, ein. Dem vorangegangen war die Tätigkeit einer Arbeitsgruppe unter Leitung des Justizministers, die aus den divergierenden Vorschlägen zum Entwurf der Novelle und den Anregungen aus der öffentlichen Diskussion ein die unterschiedlichen Standpunkte ausgleichendes Dokument erarbeitete, ohne die ZGB-Konzeption als solche in Frage zu stellen. Das ZGB/RF und seine Änderungen umfassen den Ersten Teil vom 30.11.1994, den Zweiten Teil vom 26.1.1996, den Dritten Teil vom 26.11.2001 und schließlich den Vierten Teil vom 18.12.2006, die in ihrer Bedeutung für die Gesamtkodifikation nicht gleichrangig sind. Der der ersten Parlamentskammer eingereichte Entwurf der Novelle berührt ca. 600 Art. von insgesamt 1.551 Art.n des ZGB/RF. In dem für alle ZGB-Teile grundlegenden Ersten Teil soll eine Reihe neuer juristischer Kategorien, Termini und Rechtsinstitute Eingang finden. Dazu gehören etwa der gute Glaube bei der Verwirklichung zivilrechtlicher Rechte und Pflichten, der Rechtsmissbrauch, das Verschulden bei Verhandlungen zum Abschluss eines Vertrages, die Satzung als einzige Gründungsurkunde juristischer Personen, die Einteilung der Wirtschaftsgesellschaften in öffentliche und nicht öffentliche Gesellschaften, das Recht auf Bebauung (Baurecht) als neues beschränkt dingliches Recht etc. Bei der Behandlung des Entwurfs der Novelle in der Staatsduma wurden die Abgeordneten ausdrücklich auf die Ausweitung der Rolle der Notare im Hinblick auf alle Geschäfte betreffend den Entzug, den Erwerb und die Veränderung der Eigentümerschaft an Immobilien aufmerksam gemacht, was kontroverse Diskussionen auslöste. Die Abgeordneten wiesen zudem in der Debatte auf einige ernsthafte Mängel im Gesetzentwurf hin, die sich insbesondere auf die Veränderung der Vorschriften über juristische Personen beziehen. Ungeachtet dessen nahm die Staatsduma mit der Zustimmung von 300 Abgeordneten den Gesetzentwurf Nr. 47538-6 am 27.4.2012 in erster Lesung mit der Maßgabe an, daran, ausgehend von den in der Aussprache geäußerten Bedenken und Hinweisen, Änderungen binnen einer 30-tägigen Frist vorzunehmen. Russischkundige können den Gesetzentwurf wie auch eine vergleichende Gegenüberstellung von Ausgangs- und beabsichtigter Neufassung des ZGB/RF über die Webadresse http://base.consultant.ru/cons/cgi/online.cgi?req=doc;base=LAW;n=128204 herunterladen.

(Mitgeteilt von Dipl.-Jur. Christel Mindach, Berlin)

Türkei: Anerkennung deutscher Entscheidung betr. Geschlechtsumwandlung

Das AG Heidelberg hat im Jahr 2005 durch zwei Entscheidungen festgestellt, dass eine Person, ursprünglich türkischer, jetzt deutscher Staatsangehörigkeit und weiblichen Geschlechts, als dem männlichen Geschlecht zugehörig anzusehen ist. Es hat dementsprechend den ursprünglich weiblichen Vornamen in einen männlichen geändert. Der Betreffende hat danach vor einem türkischen Gericht einen Antrag auf Berichtigung der Eintragungen in seinem türkischen Personenstandsregister gestellt. Das erstinstanzliche Gericht hat den Antrag zurückgewiesen, weil die Voraussetzungen des Art. 40 ZGB nicht erfüllt seien.

Der Kassationshof hat das erstinstanzliche Urteil jedoch aufgehoben und begründet seine Entscheidung folgendermaßen: Namensänderungen und Änderungen der Geschlechtszugehörigkeit unterliegen dem Heimatrecht der betreffenden Person; hier also deutschem Recht. Die Entscheidungen des AG Heidelberg sind gemäß Art. 58 IPR-Gesetz von 2007 auch in der Türkei anzuerkennen. Sie enthalten keinen Verstoß gegen den türkischen ordre public („kamu düzeni“). Die Anerkennung der deutschen Entscheidungen liegt im rechtlichen Interesse („hukuki yarar“) des Betreffenden. Das Urteil des Kassationshofs (2. HD, E. 9678/K. 22090) vom 21.12.2009 ist veröffentlicht im Istanbul Barosu Dergisi Bd. 86 Heft 2 (2012), S. 325 f.

(Mitgeteilt von Prof. Dr. Hilmar Krüger, Köln)

Botschaft als Niederlassung im Sinne von Art. 18 Abs. 2 EuGVVO

EuGH 19.7.2012 – Rs. C-154/11 – Ahmed Mahamdia ./. Demokratische Volksrepublik Algerien

1. Art. 18 Abs. 2 EuGVVO ist dahin auszulegen, dass es sich bei einer im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats gelegenen Botschaft eines Drittstaats in einem Rechtsstreit über einen Arbeitsvertrag, den die Botschaft im Namen des Entsendestaats geschlossen hat, um eine „Niederlassung“ im Sinne dieser Bestimmung handelt, wenn die vom Arbeitnehmer verrichteten Aufgaben nicht unter die Ausübung hoheitlicher Befugnisse fallen. Es ist Sache des angerufenen nationalen Gerichts, zu bestimmen, welche Art von Aufgaben der Arbeitnehmer genau verrichtet.

2. Art. 21 Nr. 2 EuGVVO ist dahin auszulegen, dass eine vor Entstehen einer Streitigkeit getroffene Gerichtsstandsvereinbarung unter diese Bestimmung fällt, sofern sie dem Arbeitnehmer die Möglichkeit eröffnet, außer den nach den Sonderbestimmungen der Art. 18 und 19 dieser Verordnung normalerweise zuständigen Gerichten andere Gerichte, und zwar gegebenenfalls auch Gerichte außerhalb der Union, anzurufen.

Grenzüberschreitende Umwandlung und Niederlassungsfreiheit

EuGH 12.7.2012 – Rs. C-378/10 – VALE Építési kft

1. Die Art. 49 AEUV und 54 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die zwar für inländische Gesellschaften die Möglichkeit einer Umwandlung vorsieht, aber die Umwandlung einer dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegenden Gesellschaft in eine inländische Gesellschaft mittels Gründung der letztgenannten Gesellschaft generell nicht zulässt.

2. Die Art. 49 AEUV und 54 AEUV sind im Kontext einer grenzüberschreitenden Umwandlung einer Gesellschaft dahin auszulegen, dass der Aufnahmemitgliedstaat befugt ist, das für einen solchen Vorgang maßgebende innerstaatliche Recht festzulegen und somit die Bestimmungen seines nationalen Rechts über innerstaatliche Umwandlungen anzuwenden, die – wie die Anforderungen an die Erstellung einer Bilanz und eines Vermögensverzeichnisses – die Gründung und die Funktionsweise einer Gesellschaft regeln. Der Äquivalenzgrundsatz und der Effektivitätsgrundsatz verwehren es jedoch dem Aufnahmemitgliedstaat,

- bei grenzüberschreitenden Umwandlungen die Eintragung der die Umwandlung beantragenden Gesellschaft als „Rechtsvorgängerin“ zu verweigern, wenn eine solche Eintragung der Vorgängergesellschaft im Handelsregister bei innerstaatlichen Umwandlungen vorgesehen ist, und

- sich zu weigern, den von den Behörden des Herkunftsmitgliedstaats ausgestellten Dokumenten im Verfahren zur Eintragung der Gesellschaft gebührend Rechnung zu tragen.

Parallele Patentverletzung und EuGVVO

EuGH 12.7.2012 – Rs. C-616/10 – Solvay SA ./. Honeywell Fluorine Products Europe BV, Honeywell Belgium NV, Honeywell Europe NV

1. Art. 6 Nr. 1 EuGVVO ist dahin auszulegen, dass es zu widersprechenden Entscheidungen in getrennten Verfahren im Sinne dieser Vorschrift kommen kann, wenn jeder von zwei oder mehr Gesellschaften mit Sitz in verschiedenen Mitgliedstaaten in einem vor einem Gericht eines dieser Mitgliedstaaten anhängigen Verfahren gesondert vorgeworfen wird, denselben nationalen Teil eines europäischen Patents, wie es in einem weiteren Mitgliedstaat gilt, durch die Vornahme vorbehaltener Handlungen in Bezug auf dasselbe Erzeugnis verletzt zu haben. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller sich aus den Akten ergebenden erheblichen Umstände zu prüfen, ob eine derartige Gefahr besteht.

2. Art. 22 Nr. 4 EuGVVO ist dahin auszulegen, dass er unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens der Anwendung von Art. 31 dieser Verordnung nicht entgegensteht.

Intertemporales Kollisionsrecht der EuInsVO

EuGH 5.7.2012 – Rs. C-527/10 – ERSTE Bank Hungary Nyrt ./. Magyar Állam, BCL Trading GmbH, ERSTE Befektetési Zrt

Art. 5 Abs. 1 EuInsVO ist dahin auszulegen, dass er unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens auch auf Insolvenzverfahren Anwendung findet, die vor dem Beitritt der Republik Ungarn zur Europäischen Union eröffnet wurden, wenn sich die dem Schuldner gehörenden Vermögensgegenstände, an denen das betreffende dingliche Recht bestand, am 1.5.2004 in Ungarn befanden, was zu prüfen Aufgabe des vorlegenden Gerichts ist.

Art. 5 Abs. 1 EuInsVO ist dahin zu verstehen, dass er es abweichend von der Regel des Rechts des Eröffnungsstaats erlaubt, auf das dingliche Recht eines Gläubigers oder eines Dritten an bestimmten dem Schuldner gehörenden Vermögensgegenständen das Recht des Mitgliedstaats anzuwenden, in dessen Gebiet sich der fragliche Vermögensgegenstand befindet.

Intertemporaler Anwendungsbereich der EuGVVO

EuGH 21.6.2012 – Rs. C-514/10 – Wolf Naturprodukte GmbH ./. SEWAR spol. s r.o.

Art. 66 Abs. 2 EuGVVO ist dahin auszulegen, dass diese Verordnung für die Anerkennung und Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung nur dann zum Tragen kommt, wenn sie zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Entscheidung sowohl im Ursprungsmitgliedstaat als auch im ersuchten Mitgliedstaat in Kraft war.

Prozesskostenhilfe, Art. 47 EU-GRCharta, Art. 43 EuGVVO bei einem Arrest- und Pfändungsbeschluss

EuGH 13.6.2012 – Rs. C-156/12 – GREP GmbH ./. Freistaat Bayern

1. Der Rechtsbehelf, der gemäß Art. 43 EuGVVO eingelegt wird, um gegen eine Entscheidung vorzugehen, mit der ein Arrest- und Pfändungsbeschluss nach den Art. 38–42 EuGVVO für vollstreckbar erklärt und ein dinglicher Arrest angeordnet wird, ist als Durchführung des Rechts der Union im Sinne von Art. 51 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anzusehen.

2. Der in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerte Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes kann den Anspruch auf Befreiung von der Zahlung von Gerichtskosten und/oder von Gebühren für den Beistand eines Rechtsanwalts im Rahmen eines solchen Rechtsbehelfs umfassen.

3. Jedoch hat der nationale Richter zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe eine Beschränkung des Rechts auf Zugang zu den Gerichten darstellen, die dieses Recht in seinem Wesensgehalt selbst beeinträchtigt, ob sie einem legitimen Zweck dienen und ob die angewandten Mittel in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel stehen.

4. Im Rahmen dieser Würdigung kann der nationale Richter den Streitgegenstand, die begründeten Erfolgsaussichten des Antragstellers, die Bedeutung des Rechtsstreits für diesen, die Komplexität des geltenden Rechts und des anwendbaren Verfahrens sowie die Fähigkeit des Antragstellers berücksichtigen, sein Anliegen wirksam zu verteidigen. Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit kann der nationale Richter auch der Höhe der vorzuschießenden Gerichtskosten sowie dem Umstand Rechnung tragen, ob sie für den Zugang zum Recht gegebenenfalls ein unüberwindliches Hindernis darstellen oder nicht.

5. Insbesondere bei juristischen Personen kann der nationale Richter deren Verhältnisse in Betracht ziehen. So kann er u.a. die Gesellschaftsform der in Rede stehenden juristischen Person, das Bestehen oder Fehlen von Gewinnerzielungsabsicht sowie die Finanzkraft ihrer Gesellschafter oder Anteilseigner und deren Möglichkeit berücksichtigen, sich die zur Einleitung der Rechtsverfolgung erforderlichen Beträge zu beschaffen.

Gerichtliche Heimeinweisung und EuEheVO

EuGH 26.4.2012 – Rs. C-92/12 PPU – Health Service Executive ./. S.C., A.C.

1. Die Entscheidung eines mitgliedstaatlichen Gerichts, mit der die Unterbringung eines Kindes in einer geschlossenen Therapie- und Erziehungseinrichtung in einem anderen Mitgliedstaat angeordnet wird, die zu dessen eigenem Schutz für bestimmte Zeit mit einer Freiheitsentziehung verbunden ist, fällt in den sachlichen Anwendungsbereich der EuEheVO.

2. Die Zustimmung gemäß Art. 56 Abs. 2 EuEheVO ist vor Erlass der Entscheidung über die Unterbringung eines Kindes von einer zuständigen öffentlich-rechtlichen Behörde zu erteilen. Es genügt nicht, dass das Heim, in dem das Kind untergebracht werden soll, seine Zustimmung erteilt. Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, in denen sich das Gericht des Mitgliedstaats, das die Unterbringung angeordnet hat, nicht sicher ist, ob im ersuchten Mitgliedstaat eine Zustimmung wirksam erteilt worden ist, weil nicht mit Sicherheit hat festgestellt werden können, welche Behörde in diesem Staat die zuständige Behörde ist, ist eine Heilung zulässig, um sich davon zu überzeugen, dass das Zustimmungserfordernis des Art. 56 EuEheVO in vollem Umfang erfüllt worden ist.

3. Die EuEheVO ist dahin auszulegen, dass die Entscheidung eines mitgliedstaatlichen Gerichts, mit der die zwangsweise Unterbringung eines Kindes in einem geschlossenen Heim in einem anderen Mitgliedstaat angeordnet wird, vor ihrer Vollstreckung im ersuchten Mitgliedstaat dort für vollstreckbar erklärt werden muss. Damit diese Verordnung nicht ihrer praktischen Wirksamkeit beraubt wird, muss die Entscheidung des Gerichts des ersuchten Mitgliedstaats über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung besonders schnell erfolgen, und gegen eine solche Entscheidung des Gerichts des ersuchten Mitgliedstaats eingelegte Rechtsbehelfe dürfen keine aufschiebende Wirkung haben.

4. Die Zustimmung zu einer Unterbringung gemäß Art. 56 Abs. 2 EuEheVO gilt, wenn sie für eine bestimmte Dauer erteilt worden ist, nicht für Entscheidungen, mit denen die Dauer der Unterbringung verlängert werden soll. Unter solchen Umständen muss um eine neue Zustimmung ersucht werden. Eine in einem Mitgliedstaat ergangene Unterbringungsentscheidung, die in einem anderen Mitgliedstaat für vollstreckbar erklärt worden ist, kann in diesem anderen Mitgliedstaat nur für den in der Unterbringungsentscheidung angegebenen Zeitraum vollstreckt werden.

  1. Art. 5 Nr. 3 EuGVVO und Teilnahmehandlung

Vorabentscheidungsersuchen des BGH (Deutschland) an den EuGH vom 28.6.2012 – I ZR 1/11 – Parfümflakon II

1. Ist Art. 93 Abs. 5 der Verordnung (EG) 40/94 dahin auszulegen, dass eine Verletzungshandlung in einem Mitgliedstaat (Mitgliedstaat A) im Sinne von Art. 93 Abs. 5 der Verordnung (EG) 40/94 begangen worden ist, wenn durch eine Handlung in einem anderen Mitgliedstaat (Mitgliedstaat B) eine Teilnahme an der im erstgenannten Mitgliedstaat (Mitgliedstaat A) begangenen Rechtsverletzung erfolgt?

2. Ist Art. 5 Nr. 3 EuGVVO dahin auszulegen, dass das schädigende Ereignis in einem Mitgliedstaat (Mitgliedstaat A) eingetreten ist, wenn die unerlaubte Handlung, die Gegenstand des Verfahrens ist oder aus der Ansprüche abgeleitet werden, in einem anderen Mitgliedstaat (Mitgliedstaat B) begangen ist und in der Teilnahme an der im erstgenannten Mitgliedstaat (Mitgliedstaat A) erfolgten unerlaubten Handlung (Haupttat) besteht?

  1. Art. 5 Nr. 3 EuGVVO und Teilnahmehandlung

Vorabentscheidungsersuchen des BGH (Deutschland) an den EuGH vom 28.6.2012 – I ZR 15/11 – Hi Hotel

Vorlagefrage entspricht Vorlagefrage Nr. 2 von Vorabentscheidungsersuchen des BGH (Deutschland) an den EuGH vom 28.6.2012 – I ZR 1/11 – Parfümflakon II.

Insolvenzanfechtung und Anfechtungsgegner im Drittstaaten

Vorabentscheidungsersuchen des BGH (Deutschland) an den EuGH vom 21.6.2012 – IX ZR 2/12

Sind die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet worden ist, für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen Anfechtungsgegner zuständig, der seinen Wohnsitz oder satzungsmäßigen Sitz nicht im Gebiet eines Mitgliedstaats hat?

  1. Art. 24 EuInsVO und Leistung an den Schuldner

Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal de commerce de Bruxelles (Belgien) an den EuGH vom 22.5.2012 – Rs. C-251/12 – Rechtsanwalt Christian van Buggenhout und Rechtsanwältin Ilse van de Mierop (Konkursverwalter der Grontimmo SA) ./. Banque Internationale à Luxembourg

1. Wie sind die Worte „Leistung an den Schuldner“ in Art. 24 EuInsVO auszulegen?

2. Sind diese Worte dahin auszulegen, dass eine Zahlung mit einzubeziehen ist, die an einen Gläubiger des in Konkurs geratenen Schuldners auf dessen Verlangen geleistet wurde, wenn die Partei, die dieser Zahlungsverpflichtung für Rechnung und zugunsten des in Konkurs geratenen Schuldners nachgekommen ist, dies in Unkenntnis eines Konkursverfahrens getan hat, das in einem anderen Mitgliedstaat gegen den Schuldner eröffnet worden ist?

Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO und ungeschriebene Tatbestandsmerkmale des Ausrichtens

Vorabentscheidungsersuchen des LG Saarbrücken (Deutschland) an den EuGH vom 10.5.2012 – Rs. C-218/12 – Lokman Emrek ./. Vlado Sabranovic

1. Setzt Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO in Fällen, in denen der Internetauftritt eines Gewerbetreibenden das Merkmal des Ausrichtens erfüllt, als weiteres ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal voraus, dass der Verbraucher durch die vom Gewerbetreibenden betriebene Website zum Vertragsschluss motiviert wurde, dass der Internetauftritt mithin kausal sein muss für den Vertragsschluss?

2. Sofern eine Kausalität zwischen dem Tatbestandsmerkmal des Ausrichtens und dem Vertragsschluss notwendig ist: Setzt Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO außerdem einen Vertragsschluss mit Mitteln des Fernabsatzes voraus?

Ingmar II

Vorabentscheidungsersuchen des des Hof van Cassatie (Belgien) an den EuGH vom 20.4.2012 – Rs. C-184/12 – United Antwerp Maritime Agencies (UNAMAR) NV ./.Navigation Maritime Bulgare

Sind – auch unter Berücksichtigung der Qualifizierung der fraglichen Art. 18, 20 und 21 des Gesetzes vom 13.4.1995 über den Handelsvertretervertrag nach belgischem Recht als besondere, zwingende Vorschriften im Sinne von Art. 7 Abs. 2 des Übereinkommens von Rom – die Art. 3 und 7 Abs. 2 dieses Übereinkommens, gegebenenfalls in Verbindung mit der Richtlinie 86/653 des Rates vom 18.12.1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter, dahin auszulegen, dass sie die Anwendung der besonderen, zwingenden Vorschriften des Rechts des Staates des angerufenen Gerichts, die einen umfassenderen Schutz als den nach dieser Richtlinie vorgeschriebenen Mindestschutz bieten, auf diesen Vertrag gestatten, auch wenn sich herausstellt, dass für den Vertrag das Recht eines anderen EU-Mitgliedsstaats gilt, in das ebenfalls der Mindestschutz der genannten Richtlinie umgesetzt worden ist?

Einspruch in der EuMahnVO

Vorabentscheidungsersuchen des OGH (Österreich) an den EuGH vom 23.3.2012 – Rs. C-144/12 – Goldbet Sportwetten GmbH ./. Massimo Sperindeo

1. Ist Art. 6 EuMahnVO dahin auszulegen, dass im Europäischen Mahnverfahren auch Art. 24 EuGVVO über die Begründung der Zuständigkeit des Gerichts durch Einlassung des Beklagten anzuwenden ist?

2. Wenn Frage 1. bejaht wird:

Ist Art. 17 EuMahnVO in Verbindung mit Art. 24 EuGVVO dahin auszulegen, dass die Erhebung des Einspruchs gegen einen Europäischen Zahlungsbefehl bereits eine Einlassung in das Verfahren bewirkt, wenn darin nicht ein Mangel der Zuständigkeit des Ursprungsgerichts geltend gemacht wird?

3. Wenn Frage 2. verneint wird:

Ist Art. 17 EuMahnVO in Verbindung mit Art. 24 EuGVVO dahin auszulegen, dass die Erhebung des Einspruchs allenfalls dann eine Zuständigkeit durch Einlassung in das Verfahren begründet, wenn darin bereits Vorbringen zur Hauptsache erstattet, aber nicht ein Mangel der Zuständigkeit geltend gemacht wird?

Zusammenspiel des Schuldstatuts und der lex rei sitae

BGH 20.7.2012 – V ZR 135/11

Wird über eine in Deutschland belegene Sache ein Vertrag nach ausländischem Recht abgeschlossen und ist fraglich, ob das Eigentum übergehen soll, muss der Vertrag zunächst nach den von dem Vertragsstatut vorgegebenen Regeln ausgelegt werden; deutsches Recht als lex rei sitae entscheidet darüber, ob eine danach vereinbarte Eigentumsübertragung auch den Anforderungen an eine dingliche Einigung gemäß § 929 S. 1 BGB entspricht.

Rechtsschutz bei der Bestimmung des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen

BGH 19.7.2012 – IX ZB 6/12

Gegen die Anordnung des Insolvenzgerichts, ein Sachverständigengutachten darüber zu erheben, in welchem Staat sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners befindet, ist in der Regel die sofortige Beschwere nicht statthaft.

Kein Rechtschutz im Vollstreckungsverfahren bei nachträglichen materiell-rechtlichen Einwendungen

BGH 12.7.2012 – IX ZB 267/11

Beruft sich der Schuldner im Verfahren der Vollstreckbarerklärung nach der Verordnung auf nachträglich entstandene materiell-rechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch, die weder unstreitig noch rechtskräftig festgestellt sind, so wird er damit nicht gehört.

Rechtsfolge bei Zustellungsfehler: Schutzzweck

BGH 26.6.2012 – VI ZR 241/11

1. Wird eine Vorschrift über das Verfahren bei Zustellungen verletzt, ist die Zustellung nur dann unwirksam, wenn der Zweck der verletzten Verfahrensvorschrift dies erfordert.

2. Bei der Anordnung an die im Ausland ansässige Partei durch den Vorsitzenden des zu-ständigen Spruchkörpers, einen Zustellungsbevollmächtigten im Inland zu benennen, ist dies grundsätzlich nicht der Fall.

Partikularverfahren nach EuInsVO

BGH 21.6.2012 – IX ZB 287/11

Zur mangelnden internationalen Zuständigkeit für die Eröffnung eines Partikularverfahrens nach Art. 3 Abs. 2 und 4 EuInsVO, insbesondere zu den Anforderungen an die hierfür erforderliche Niederlassung der Schuldnerin im Sinne von Art. 2 lit. h EuInsVO, sowie zur internationalen Zuständigkeit für die Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens nach Art. 3 Abs. 1 S. 1 EuInsVO.

Art. 28 ff. EuGVVO und das Rechtsschutzbedürfnis

BGH 14.6.2012 – IX ZB 245/10

1. Für eine Vollstreckbarerklärung nach Art. 28 ff. EuGVVO fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn für die Entscheidung bereits eine Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel vorliegt.

2. Zur Beschränkung der Bestätigung auf Teile des Urteils gem. Art. 8 EuVTVO.

3. Auch wenn kein Fall einer Gewährleistungs- oder Interventionsklage nach Art. 65 Abs. 1, Art. 6, Art. 11 Abs. 1 EuGVVO vorliegt, ist ein französisches Garantieurteil wie ein Zahlungstitel für vollstreckbar zu erklären.

Ausländisches Ehehindernis als Einreisehindernis

BVerwG 19.7.2012 – 10 C 2.12

Ein allein nach ausländischem Recht bestehendes Ehehindernis (hier: Verbot der Ehe zwi-schen Stiefsohn und Stiefmutter) kann nach deutschem Recht beachtlich sein und einer Fa-milienzusammenführung in Deutschland entgegenstehen.

Art. 5 Nr. 4 HUVÜ: Ablehnung der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung

OLG Düsseldorf 20.7.2012 – II-1 UF 70/12

1. Eine Ablehnung der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung nach Art. 5 Nr. 4 HUVÜ ergibt sich nicht nur aus einem direkten Widerspruch im Tenor einer vorher hier ergangenen Entscheidung zu dem Tenor einer anzuerkennenden ausländischen Entscheidung. Ein wesentlicher Widerspruch in der Grundlage für den Regelungsgehalt reicht für die Ablehnung aus.

2. Vom OLG entschieden für die Ablehnung der Anerkennung einer türkischen Entscheidung über Kindesunterhalt zugunsten der Mutter, während das Kind beim – nach deutscher Entscheidung sorgeberechtigten – Vater in Deutschland lebt.

(Mitgeteilt von RA Hanswerner Odendahl, Köln)

Nachweis früherer Adelsbezeichnung

KG 17.7.2012 – 1 W 623/11

Hat ein gebürtiger Pole durch Einbürgerung gemäß § 6 BVFG die deutsche Staatsangehörigkeit erlangt, genügt zum Nachweis, dass eine frühere Adelsbezeichnung Teil des Namens geworden ist, die von den deutschen Besatzungsbehörden in Polen im Jahr 1944 ausgestellte Geburtsurkunde eines im Jahr 1912 in der damaligen preußischen Provinz Posen geborenen Vorfahren nicht, wenn aktuell ausgestellte polnische Personenstandsurkunden kein (deutsches) Adelsprädikat enthalten.

(Mitgeteilt von: RiKG Ronny Müller, Berlin)

HKÜ: Keine Rückführung bei Suizidgefahr des Kindes

OLG Hamm 28.6.2012 – 11 UF 85/12, II-11 UF 85/12

Die schwerwiegende Gefahr des Art. 13 Abs. 1 lit. b HKÜ muss sich als besonders erheblich, konkret und aktuell darstellen. Das ist grundsätzlich dann der Fall, wenn bei der Rückführung eine akute Suizidgefahr des Kindes besteht.

LugÜ: Perpetuatio fori bei Verbrauchersache

OLG München 19.6.2012 – 5 U 1150/12

1. Der für die Anwendbarkeit des Lugano-Übereinkommens II in räumlich-territorialer Hinsicht erforderliche Auslandsbezug eines Rechtsverhältnisses kann sich schon daraus ergeben, dass in einer Verbrauchersache im Sinne der Art. 15–17 LugÜ-II der Beklagte nach Vertragsschluss, aber vor Klageerhebung ins Ausland verzieht.

2. Jedenfalls in Verbrauchersachen im Sinne der Art. 15–17 LugÜ-II/EuGVVO unterliegt die rügelose Einlassung im Sinne des Art. 24 LugÜ-II/EuGVVO dem Anwaltszwang gemäß § 78 Abs. 1 ZPO.

3. Der Anwendbarkeit von Art. 15 Abs. 1 LugÜ-II/EuGVVO steht nicht entgegen, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses beide Parteien ihren Sitz bzw. Wohnsitz in ein und demsel-ben Vertragsstaat hatten.

4. Im Falle eines Wohnsitzwechsels des Verbrauchers ist für die Bestimmung des gem. Art. 16 Abs. 2 LugÜ-II/EuGVVO zuständigen Vertragsstaats auf den Wohnsitz zum Zeitpunkt der Klageerhebung abzustellen.

HKÜ: 6-Monatsregel beim gewöhnlichen Aufenthalt

OLG Hamm 12.6.2012 – 11 UF 117/12, II-11 UF 117/12

Der gewöhnliche Aufenthalt des Art. 4 S. 1 HKÜ richtet sich nach dem tatsächlichen Lebensmittelpunkt des Kindes. Als Indiz für die Mindestdauer des Aufenthalts ist in der Regel von einer Sechs-Monats-Frist auszugehen.

Richterliches Ermessen nach § 293 ZPO

OLG Hamm 5.6.2012 – I-19 U 20/11

1. Ausübung des gerichtlichen Ermessens zur Ermittlung des für die Entscheidung maßgeblichen ausländischen Rechts.

2. Unzulässigkeit der Aufrechnung währungsverschiedener Forderungen nach polnischem Recht.

(Mitgeteilt von: VRiOLG Harald Schenkel, Hamm)

Internationale Zuständigkeit und Art und Weise des streitgegenständlichen Internetauftritts

OLG Frankfurt a.M. 24.5.2012 – 6 U 103/11

1. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ist nicht gegeben, wenn die beanstandete Aussage in englischer Sprache auf der für England bestimmten Unterseite eines Internetauftritts veröffentlicht worden ist und sich in diesem Internetauftritt auch eine für Deutschland bestimmte deutschsprachige Unterseite befindet; dies gilt selbst dann, wenn die Aussage einen inhaltlichen Bezug zur in Deutschland ansässigen Klägerin hat.

2. Die „Konnexität“ im Sinne von § 33 Abs. 1 ZPO begründet lediglich einen besonderen Gerichtsstand und stellt keine allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzung für die Widerklage dar; sie ist daher entbehrlich, wenn sich die örtliche Zuständigkeit für die Widerklage bereits aus anderen Vorschriften ergibt.

3. In einer Presseerklärung abgegebene kritisierende Werturteile über einen Mitbewerber stellen eine unlautere Herabsetzung dar, wenn sie nach dem Kontext einen falschen Eindruck über die Hintergründe erwecken oder unklar bleibt, auf welcher konkreten Tatsachengrundlage die Bewertung beruht.

4. Die Verpflichtung zur Angabe des Endpreises für Flugdienste (Art. 23 EU-LuftverkehrsdiensteVO) trifft auch den Vermittler von Flugdiensten, der in den Endpreis die an ihn zu zahlende Vermittlungsgebühr einbeziehen muss; der Endpreis unter Einschluss dieser Gebühr muss bereits bei der erstmaligen Nennung des Flugpreises für eine bestimmte Verbindung genannt werden.

Vorfrage der Volljährigkeit bei ausländischer Vormundschaft

OLG Bremen 24.5.2012 – 4 UF 43/12

Das auf die Beendigung einer im Inland für einen 19 Jahre alten Liberianer bestellten Vormundschaft anzuwendende Recht bestimmt sich nach Art. 24 Abs. 1 S. 1 EGBGB, so dass nach liberianischem Recht für den Eintritt der Volljährigkeit des Mündels auf die Vollendung des 21. Lebensjahres abzustellen ist.

EuZustellVO: Zustellungsnachweis, § 167 ZPO bei drohendem Verjährungseintritt

OLG München 9.5.2012 – 7 U 2640/10

1. Unvollständig bzw. widersprüchlich ausgefüllte Bescheinigungen über die Zustellung bzw. Nichtzustellung nach Art. 10 EuZustVO erbringen keinen Beweis über eine erfolgte Zustellung.

2. Sind die einer Klageschrift beigefügten Anlagen in keiner der nach Art. 8 Abs. 1EuZustVO zulässigen Sprache abgefasst und auch nicht in eine dieser Sprachen übersetzt, darf die Annahme der in eine zulässige Sprache übersetzten Klageschrift jedenfalls dann verweigert werden, wenn die Anlagen zum Verständnis der Klageschrift erforderlich sind.

3. Für die Frage, ob eine Zustellung „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO erfolgt ist, ist nicht auf den Zeitraum zwischen Klageerhebung und Zustellung, sondern auf denjenigen zwischen Verjährungseintritt und Zustellung abzustellen, da jede Klagepartei die Verjährungsfrist grundsätzlich voll ausschöpfen darf.

4. Ob eine Zustellung „demnächst“ erfolgt, beurteilt sich nicht nach einer rein zeitlichen Betrachtungsweise. Vielmehr enthält der Begriff „demnächst“ eine zeitliche und eine wertende Komponente. Das bedeutet, dass die Interessen beider Parteien und die seit dem regulären Verjährungseintritt verstrichene Zeit in eine wertende Gesamtbetrachtung des Einzelfalles einzubeziehen sind.

Kostenurteil und ordre public

OLG Brandenburg 16.3.2012 – 7 W 55/06

1. Der Kläger des Ausgangsverfahrens, der dort zur Tragung der Prozesskosten verurteilt wurde, aber gar keinen Auftrag zur Klageerhebung und zur Einlegung eines Rechtsmittels gegeben und daher von dem durch einen Rechtsanwalt für ihn geführten Zivilprozess keine Kenntnis hat, ist völlig außerstande, sich zu verteidigen.

2. Seine Verurteilung zur Kostentragung ist wegen Verstoßes gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs und damit gegen den ordre public nicht anzuerkennen.

EuVTVO und Pfändung von Forderungen gegen Drittschuldner

LSG Niedersachsen-Bremen 4.7.2012 – L 2 R 84/12 B ER

Auch die Vorgaben der EuVTVO ermächtigen die Gerichte anderer EU-Staaten nicht zur Pfändung von Forderungen, die dem in Deutschland wohnenden Schuldner gegenüber einem deutschen Drittschuldner zustehen.

Erfüllungsort des Handelsvertreters

LG Aachen 17.7.2012 – 41 O 64/11

1. Hat ein Handelsvertreter seine Dienstleistung in mehreren Staaten zu erbringen, so bestimmt sich der Erfüllungsort nach EuGVVO Art. 5 Nr. 1 lit. b danach, wo der Schwerpunkt der Tätigkeit liegt.

2. Grundsätzlich gilt auch für einen Handelsvertreter, dass er die für seine Aufgaben erforderlichen Tätigkeiten von seinem Geschäftssitz aus betreibt.

3. Die Anwendung des § 23 ZPO ist im Anwendungsbereich der EGVVO durch EuGVVO Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Anhang I ausgeschlossen.

Registereintrag in Spanien bei in Deutschland notariell beurkundetem Immobilienkaufvertrag

Spanischer Oberster Gerichtshof 19.6.2012 – STS 998/2011

Zur Zulässigkeit eines in Deutschland notariell beurkundeten Kaufvertrags als Grundlage für einen Grundbucheintrag in Spanien mit Blick auf die Dienstleistungs- und Warenverkehrsfreiheit.

Fraude au jugement

Franz. Cour de cassation, Première chambre civile 20.6.2012 – 11-30.120

Zur mangelnden Anerkennungsfähigkeit eines treuwidrig erschlichenen algerischen Schei-dungsurteils (fraude au jugement).

Adoption durch gleichgeschlechtliches Paar

Franz. Cour de cassation, Première chambre civile 7.6.2012 – 11-30.261 und 11-30.262

Die Anerkennung eines ausländischen Urteils, das die Adoption durch ein gleichgeschlechtliches Paar erlaubt, ist mit dem französischen ordre public nicht vereinbar.

  1. Formerfüllung und modern business practices

Engl. Supreme Court 9.3.2012 – [2012] EWCA Civ 265 – Golden Ocean Group Limited v Salgaocar Mining Industries PVT Ltd., Mr Anil V Salgaocar

For a guarantee to be enforceable, the Statute of Frauds 1677 requires it (or a note or memorandum of it) to be in writing and signed by the guarantor or by a person authorised on his behalf. In this case, the Court of Appeal considered the application of the Statute to modern business practices, in particular negotiation of a charterparty and guarantee between brokers by email.

  1. Veranstaltungshinweise

  • Am 28./29.9.2012 lädt das Institut für Kunst und Recht IFKUR e.V. zum VI. Heidelberger Kunstrechtstag. Alle Vorträge orientieren sich an dem Thema „Diebstahl-Beute-Raub – Von der antiken Statue zur digitalen Datei“. Weitere Informationen und Anmeldung unter: http://www.ifkur.de oder infoSpamProtectionifkur.de.

  • Am 12.10.2012 veranstaltet die Ernst von Caemmerer-Stiftung ein Kolloqium zu dem Thema „The Influence of Islam on Banking and Finance“. Veranstaltungsort ist Frankfurt a.M. Weitere Informationen über das Freiburger Institut für Wirtschaftsrecht: http://www.wirtschaftsrecht.uni-freiburg.de/index.php.

  • Am 18./19.10.2012 finden in Münster die European Law Days 2012 zu dem Thema „The European Law of Obligations at a Turning Point“ statt. Hierzu werden Rechtswissenschaftler aus zehn Ländern Reformprojekte vorstellen und in den europäischen Kontext einordnen. Anmeldungen sind möglich per Post an das Centrum für Europäisches Privatrecht, Universitätsstraße 14–16, 48143 Münster.



Stand: 04.01.2011