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IPRax-Heft 2013,2

Neueste Informationen Heft 2013,2

Neufassung der EuGVVO

Die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Neufassung) wurde am 20.12.2012 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht (L 351/1). Sie wird am 10.1.2015 in Kraft treten (Art. 81). 

Berichtigung der Rom II-VO

Im Amtsblatt L 310/52 der Europäischen Union vom 9.11.2012 wurde über eine Berichtigung der Rom II-VO informiert. Die in Erwägungsgrund 17 der Verordnung enthaltene Formulierung „Daher sollte auch bei Personen- oder Sachschäden als Staat, in dem der Schaden eintritt, der Staat gelten, in dem der Personen- oder Sachschaden tatsächlich eingetreten ist.“ wird ersetzt durch „Daher sollte bei Personen- oder Sachschäden der Staat, in dem der Schaden eintritt, der Staat sein, in dem die Verletzung erlitten beziehungsweise die Sache beschädigt wurde.“.

Duma billigt Adoptionsverbot für US-Bürger

Das Unterhaus des russischen Parlaments hat ein Gesetz zum Verbot von Adoptionen russischer Kinder durch US-Bürger verabschiedet. Zum Inkrafttreten des Gesetzes bedarf es noch der dritten Lesung durch die Duma, der Zustimmung des Föderationsrats und der Unterzeichnung durch den Präsidenten. Das Gesetz ist inoffiziell nach Dima Jakowlew benannt, einem adoptierten Kleinkind aus Russland, das im Sommer 2008 in den USA an Flüssigkeitsmangel gestorben ist, nachdem es im überhitzten Auto seiner Adoptiveltern zurückgelassen worden war. Das Gesetz ist eine Retorsion auf die wegen des Todes von Sergej Magnitski beschlossenen US-Sanktionen gegen Russland. Der russische Anwalt arbeitete für eine US-amerikanische Kanzlei und hatte Beamten des russischen Innenministeriums Verwicklung in einen Betrugsfall um 130 Millionen Euro vorgeworfen. In der Untersuchungshaft starb er. Ein US-Gesetz belegte daraufhin russische Staatsbürger, die in Menschenrechtsverletzungen verwickelt waren, mit Sanktionen. (Quelle: dpa)

Änderungen des Ersten Teils des Zivilgesetzbuches der Russischen Föderation

Noch am 30.12.2012 unterzeichnete der russische Präsident das Föderale Gesetz Nr. 302 „Über die Aufnahme von Änderungen in die Kapitel 1, 2 , 3 und 4 des Ersten Teils des Zivilgesetzbuches der Russischen Föderation“, nachdem der entsprechende Gesetzentwurf von der Staatsduma am 18.12.2012 in dritter Lesung angenommen und vom Föderationsrat am 26.12.2012 gebilligt worden war. Grundsätzlich tritt dieses Gesetz nach seinem Art. 2 am 1.3.2013 in Kraft, es sei denn, in einzelnen Reglungen wurde etwas anderes bestimmt.

(Mitgeteilt von Dipl.-Jur. Christel Mindach, Berlin)

Vertragsketten und Reichweite von Gerichtsstandsvereinbarungen nach der EuGVVO

EuGH 7.2.2013 – Rs. C-543/10 – Refcomp SpA ./. Axa Corporate Solutions Assurance SA, Axa France IARD, Emerson Network, Climaveneta SpA

Art. 23 EuGVVO ist dahin auszulegen, dass eine in dem Vertrag zwischen dem Hersteller eines Gegenstands und dem Erwerber vereinbarte Gerichtsstandsklausel dem späteren Erwerber, der diesen Gegenstand am Ende einer Kette von das Eigentum übertragenden Verträgen, die zwischen in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässigen Parteien geschlossen wurden, erworben hat und eine Haftungsklage gegen den Hersteller erheben möchte, nicht entgegengehalten werden kann, es sei denn, es steht fest, dass dieser Dritte der Klausel unter den in diesem Artikel genannten Bedingungen tatsächlich zugestimmt hat.

Fiktive Inlandszustellung bei fehlender Zustellungsbevollmächtigung: Frage der EuZustVO?

EuGH 19.12.2012 – Rs. C-325/11 – Krystyna Alder, Ewald Alder ./. Sabina Orlowska, Czeslaw Orlowski

Art. 1 Abs. 1 EuZustVO ist dahin auszulegen, dass er Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie den im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, nach denen die für eine Partei mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat bestimmten gerichtlichen Schriftstücke in der Gerichtsakte belassen werden und damit als zugestellt gelten, wenn diese Partei keinen Zustellungsbevollmächtigten benannt hat, der in dem erstgenannten Staat ansässig ist, in dem das Gerichtsverfahren stattfindet.

Inlandsbezug bei § 23 ZPO und Ruhegeldansprüche in der Insolvenz

BGH 20.12.2012 – IX ZR 130/10

1a. Ruhegeldansprüche gegen einen im Inland ansässigen Drittschuldner stellen inländisches Vermögen dar.

1b. Ein hinreichender Inlandsbezug als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Gerichtsstands des Vermögens kann sich daraus ergeben, dass über das Vermögen des Schuldners im Inland das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und die Ansprüche des Schuldners gegen den Drittschuldner, an welche die Zuständigkeit anknüpft, aus einer Tätigkeit im Inland herrühren.

2. Die Massezugehörigkeit von im Inland verdienten Ruhegeldansprüchen eines Schuldners, der seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt hat, beurteilt sich nach deutschem Recht (Territorialprinzip).

3. Vor Inkrafttreten der Vorschriften über das Internationale Insolvenzrecht bestimmten sich die insolvenzrechtlichen Wirkungen der Abtretung und ihrer Anfechtbarkeit nach dem Konkursstatut.

Klägerwohnsitz als ausreichender Inlandsbezug bei § 23 ZPO

BGH 13.12.2012 – II ZR 282/11

Als hinreichender Inlandsbezug für die Anwendung des § 23 ZPO ist der Wohnsitz des Klägers in Deutschland anzusehen.

Ordre public bei ausländischen Sorgerechtsentscheidungen und internationales Sozialrecht bei der Sicherung des Lebensunterhalts

BVerwG 29.11.2012 – 10 C 4/12

1. Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 der UN-Kinderrechtskonvention stehen der Regelung zur Handlungs- und Prozessfähigkeit minderjähriger Ausländer über 16 Jahre in Verfahren nach dem Aufenthaltsgesetz (§ 62 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 1 AufenthG) nicht entgegen.

2. Ausländische Sorgerechtsentscheidungen verstoßen nur dann gegen den ordre public in Art. 16 des Haager Minderjährigenschutzabkommens, wenn das Ergebnis zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass es nach deutscher Vorstellung untragbar erscheint.

3. Der verfahrensrechtliche ordre public verlangt grundsätzlich, dass jedenfalls Jugendliche vor Erlass einer Sorgerechtsentscheidung persönlich angehört werden.

4. Die Berechnung des zur Sicherung des Lebensunterhalts i.S.v. § 2 Abs. 3 AufenthG notwendigen Bedarfs und Einkommens richtet sich bei erwerbsfähigen Ausländern und Personen, die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, grundsätzlich nach den entsprechenden Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs (SGB) Zweites Buch – SGB II – über die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Im Anwendungsbereich der Familienzusammenführungsrichtlinie (Richtlinie 2003/86/EG) gebietet es der Anwendungsvorrang des Unionsrechts, den Begriff der Lebensunterhaltssicherung sowohl auf der Einkommens- als auch auf der Bedarfsseite zu modifizieren.

Parallelauslegung von Art. 26 EuInsVO und Art. 34 EuGVVO und dynamische Verweisung der EuInsVO auf die EuGVVO

BGH 8.11.2012 – IX ZB 120/11, IX ZA 12/11

1. Zur Auslegung des Art. 26 EuInsVO an den zu Art. 34 EuGVVO entwickelten Grundsätzen bei insolvenzbezogenen Einzelentscheidungen, die in einem kontradiktorischen Verfahren ergangen sind.

2. Zum Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public im Sinne von Art. 26 EuInsVO bzw. gem. Art. 34 Nr. 2 EuGVVO durch eine die Verteidigungsrechte des Rechtsbeschwerdeführers verletzende Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks.

3. Zu Art. 25 Abs. 1 Unterabs. 2 EuInsVO als dynamische Verweisung auf die EuGVVO.

Ingmar-Folgen: Unwirksame Gerichtsstandsvereinbarung zulasten des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters

BGH 5.9.2012 – VII ZR 25/12

Zur Versagung der Anerkennung einer Gerichtsstandsvereinbarung, wenn das von den Parteien gewählte Recht keinen zwingenden Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach Vertragsbeendigung (§ 89b HBG) kennt und das Gericht des Drittstaates das zwingende europäische und nationale Rechte nicht zur Anwendung bringen und die Klage auf den Ausgleichsanspruch abweisen wird.

Prozesskostensicherheit einer limited auf den Virgin Islands

OLG Schleswig 15.1.2013 – 11 U 9/12

Für die Prozesskostensicherheit einer limited auf den Britischen Jungferninseln (Virgin Islands) ist deren Gründungssitz und nicht der Verwaltungssitz, der sich im Gebiet des EWR befinden soll, maßgebend.

Zuständigkeitsbestimmung für Abtretungsklagen

OLG München 8.1.2013 – 34 AR 336/12

Zuständigkeitsbestimmung für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen aus abgetretenem Recht gegen den inländischen Berater und die im europäischen Ausland ansässige darlehensgebende Bank im Zusammenhang mit dem teilfinanzierten Anteilserwerb an einem inländischen Filmfonds.

Schlüssige Wahl des ägyptischen Ehewirkungsstatuts

KG 3.1.2013 – 1 VA 9/12

Der vor einem ägyptischen Standesamt beurkundete Ehevertrag zwischen einem Deutschen und einer Ägypterin enthält nicht deshalb eine schlüssige Wahl des ägyptischen Ehewirkungsstatuts, weil sich die Eheleute auf eine Morgen- und Abendgabe sowie einen gemeinsamen Wohnsitz in Deutschland geeinigt haben, auch wenn beide dem Islam angehören und der Ehemann früher die ägyptische Staatsangehörigkeit besaß.

(Mitgeteilt von RiKG Ronny Müller, Berlin)

Zuständigkeit für die Insolvenzanfechtungsklage eines Insolvenzverwalters

OLG Frankfurt a.M. 17.12.2012 – 1 U 17/11

Zur mangelnden internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Insolvenzanfechtungsklage eines Insolvenzverwalters gegen ein Kreditinstitut englischen Rechts gemäß EuInsVO, EuGVVO und ZPO, KWG und InsO.

Unmittelbare Beweisaufnahme im Ausland ohne vorheriges Rechtshilfeersuchen

OLG Oldenburg 29.11.2012 – 8 W 102/12

1. Bei einer unmittelbaren Beweisaufnahme im Ausland – hier: Ortstermin des vom Gericht bestellten Bausachverständigen zur Feststellung von Baumängeln an einem privaten Wohnhaus – ist ein vorheriges Rechtshilfeersuchen an die zuständigen Behörden des anderen Mitgliedstaates (Art. 17 EuBewVO) dann nicht zwingend notwendig, wenn die Hilfe der örtlichen Behörden für die erfolgreiche Durchführung der vom Prozessgericht angeordneten Beweisaufnahme nicht erforderlich ist und der Sachverständige nicht auf hoheitliche Unterstützung oder die Mitwirkung der Justizbehörden des Mitgliedstaates angewiesen ist.

2. Ein Verstoß gegen Art. 17 EuBewVO hat grundsätzlich nicht zur Folge, dass die so gewonnenen Beweisergebnisse einem Beweisverwertungsverbot unterliegen, der Schutzzweck der verletzten Norm verbietet eine Verwertung nicht.

Keine Überprüfung der Entscheidungszuständigkeit zur Insolvenzeröffnung durch das Zweitgericht

OLG Celle 27.11.2012 – 2 U 147/12

Die Entscheidungszuständigkeit des Gerichts eines EU-Mitgliedsstaates zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist von dem Gericht des Zweitstaates nicht zu überprüfen.

Gerichtskosten bei der Vollstreckung eines ICSID-Schiedsspruchs

OLG Frankfurt a.M. 20.11.2012 – 18 W 59/12

Das Verfahren zur Feststellung der Vollstreckbarkeit eines Schiedsspruchs des International Centre for Settlement of Investment Disputes ist ein gegenüber dem Verfahren auf Anerkennung und Vollstreckbarkeitserklärung eines ausländischen Schiedsspruchs nach dem UNÜ stark vereinfachtes Verfahren, weshalb nicht Nr. 1620 KV GKG, sondern Nr. 1510 KV GKG analog anzuwenden ist.

Identitätsfeststellung im Vollstreckbarerklärungsverfahren

OLG München 19.11.2012 – 34 Sch 7/11

Ist in einem ausländischen (hier: polnischen) Schiedsspruch die Bezeichnung einer (beklagten) Partei nicht eindeutig, ist die Identität der Person, gegen den sich das Schiedsverfahren richtete, im Vollstreckbarerklärungsverfahren aufzuklären.

Zuständigkeitserschleichung

AG Göttingen 10.12.2012 – 74 IN 28/12

1. Entscheidungen eines ausländischen Insolvenzgerichtes können wegen Verstoßes gegen den ordre public gem. Art. 26 EuInsVO unbeachtlich sein.

2. Im Falle einer Zuständigkeitserschleichung kommt dies in Betracht, wenn das ausländische Insolvenzgericht trotz seit Jahren bekannter Missbräuche keine Plausibilitätsprüfung vornimmt.

Vollstreckungsimmunität von Kriegsschiffen

ISGH 15.12.2012 – No. 20

Zur Vollstreckungsimmunität von Kriegsschiffen nach internationalem Recht.

Keine revision au fond mehr in Indien bei ausländischen Schiedssprüchen  

Ind. Oberster Gerichtshof 6.9.2012 – Baharat Aluminium Company v. Kaiser Aluminium Technical Services Inc.

Zur mangelnden Kompetenz indischer Gerichte, außerhalb Indiens durchgeführte Schiedsgerichtsverfahren zu überprüfen.

New York: Rechtswahl ist Sachnormwahl

New York Court of Appeal 18.12.2012 – No. 191 – IRB-Brasil Resseguros, S.A. v. Inepar Investments, S.A.

Die Wahl des Rechts des Bundesstaats New York in einer Rechtswahlklausel führt – wenn der Vertrag insgesamt Section 5-1041 des New York General Obligations Law unterfällt – grundsätzlich auch dann zur Anwendung des New Yorker Sachrechts, wenn die Parteien die Anwendung des New Yorker Kollisionsrechts nicht ausdrücklich ausgeschlossen haben.

Veranstaltungshinweise

Die Interdisziplinäre Gesellschaft für Komparatistik und Kollisionsrecht (IGKK) lädt zu verschiedenen Veranstaltungen:

  • 11.3.2013: „Japanisches Immigrationsrecht: Historische Entwicklung und Gegenwart“. Vortrag von Prof. Dr. Yasuhiro Okuda (Chuo University, Tokyo)

  • 19.3.2013: „Die Probleme der Modernisierung des geltenden russischen Zivilgesetzbuches“. Vortrag von Prof. Dr. Evgeny A. Sukhanov (Staatliche Lomonossov-Universität, Moskau)

  • 20.3.2013: „CISG und Gemeinsames Europäisches Kaufrecht – Partner oder Gegner?“. Vortrag von Prof. Dr. Ulrich Magnus (Universität Hamburg).

  • 6.5.2013: „Rechtsvergleichung als juristische Auslegungsmethode“. Tagung.

Veranstaltungsort ist jeweils die Universität Wien. 

  • Vom 29.–31.8.2013 findet in Bonn die 5. Tagung der Commission on European Family Law zu dem Thema „Family Law and Culture in Europe: Developments, Challenges and Opportunities“ statt. Veranstalter sind das Institut für Deutsches, Europäisches und Internationales Familienrecht der Universität Bonn und das Käte Hamburger Kolleg „Recht als Kultur“.

Stand: 01.03.2013