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Neueste Informationen Heft 2/2020

 

Neues russisches IPR

Am 9.7.2019 erließ der Oberste Gerichtshof Russlands eine neue Verordnung zum internationalen Privatrecht (Nr. 24 Über die Anwendung der IPR-Vorschriften durch die Gerichte der Russischen Föderation). Die Verordnung beinhaltet Erläuterungen zu allgemeinen Bestimmungen des IPR, dem Personenstand, dem Sachenrecht, der Form und Vertretung, dem Verbraucherschutz sowie dem Vertrags- und Deliktsstatut.

EuMahnVO: Amtsprüfung des Klauselmissbrauchs

EuGH 19.12.2019 – verb. Rs. C-453/18 und C-494/18 – Bondora AS ./. Carlos V.C., XY

Art. 7 Abs. 2 lit. d und e EuMahnVO sowie Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen sind in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof und im Licht von Art. 38 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass sie es einem „Gericht“ im Sinne dieser Verordnung, das im Rahmen eines Europäischen Mahnverfahrens befasst wird, ermöglichen, vom Gläubiger weitere Angaben zu den Vertragsklauseln, die zur Begründung der fraglichen Forderung geltend gemacht werden, zu verlangen, um von Amts wegen die etwaige Missbräuchlichkeit dieser Klauseln zu prüfen, und dass sie folglich nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, die zu diesem Zweck beigebrachte ergänzende Unterlagen für unzulässig erklären.

Art. 43 EuGVVO 2001 und Zulassung des Rechtsbehelfs

EuGH 12.12.2019 – Rs. C-433/18 – Rs. ML ./. Aktiva Finants

1. Art. 43 Abs. 1 EuGVVO 2001 ist dahin auszulegen, dass er einem Verfahren betreffend die Zulassung von Rechtsbehelfen zur weiteren Prüfung nicht entgegensteht, in dem zum einen das mit der Sache befasste Berufungsgericht über die Frage der Zulassung des bei ihm eingelegten Rechtsbehelfs zur weiteren Prüfung auf der Grundlage der Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts, der bei ihm eingelegten Beschwerde, einer etwaigen Stellungnahme des Rechtsbehelfsgegners und erforderlichenfalls des sonstigen Akteninhalts entscheidet sowie zum anderen die Zulassung des Rechtsbehelfs zur weiteren Prüfung u. a. dann zu erteilen ist, wenn Zweifel an der Richtigkeit der betreffenden Entscheidung bestehen, wenn die Richtigkeit dieser Entscheidung nicht beurteilt werden kann, ohne die Zulassung des Rechtsbehelfs zur weiteren Prüfung zu erteilen, oder wenn ein sonstiger schwerwiegender Grund für die Zulassung des Rechtsbehelfs zur weiteren Prüfung vorliegt.

2. Art. 43 Abs. 3 EuGVVO 2001 ist dahin auszulegen, dass er einem Verfahren zur Prüfung eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über einen Antrag auf Vollstreckbarerklärung, bei dem es nicht erforderlich ist, den Rechtsbehelfsgegner vor dem Erlass einer für ihn günstigen Entscheidung anzuhören, nicht entgegensteht.

Art. 1 Abs. 1 EuGVVO 2001 und Klassifikationsgesellschaft

Schlussanträge des Generalanwalts beim EuGH Maciej Szpunar 14.1.2020 – Rs. C-641/18

1. Art. 1 Abs. 1 EuGVVO 2001 ist dahin auszulegen, dass der Begriff „Zivil- und Handelssachen“ im Sinne dieser Bestimmung eine Schadensersatzklage gegen privatrechtliche Organisationen wegen Tätigkeiten der Klassifikation und Zertifizierung erfasst, die diese Organisationen im Auftrag eines Drittstaats, für diesen Staat und in dessen Interesse verrichtet haben.

2. Der völkergewohnheitsrechtliche Grundsatz der Staatenimmunität steht der Anwendung der EuGVVO 2001 in einem Rechtsstreit über eine solche Klage nicht entgegen.

EuEheVO und Vollstreckungszuständigkeit

BGH 27.11.2019 – XII ZB 311/19

1. Die Vorschrift des § 99 Abs. 1 FamFG regelt die internationale Zuständigkeit auch für die Vollstreckung von Entscheidungen über das Umgangsrecht, wenn sich nicht aus Regelungen in völkerrechtlichen Vereinbarungen, soweit sie unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, oder Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft anderes ergibt […].

2. Der EuEheVO lassen sich vorrangige Bestimmungen über die internationale Zuständigkeit für die Vollstreckung eines deutschen Umgangstitels nicht entnehmen.

3. Eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Festsetzung eines Ordnungsgelds zur Durchsetzung eines deutschen Umgangstitels ist daher auch dann gegeben, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in einem anderen Mitgliedstaat hat.

Personenstandsverfahren bei Leihmutterschaft

KG 21.1.2020 – 1 W 47/19

1. Im Fall der sogenannten Leihmutterschaft hängt die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung – hier des Superior Court of the State of California –, die die rechtliche Elternschaft – nur – dem Wunschvater zuweist und zugleich feststellt, die Leihmutter sei nicht rechtmäßiges Elternteil, nicht davon ab, dass der Wunschvater auch genetisch mit dem Kind verwandt ist.

2. Ist die ausländische Entscheidung bereits vor der Geburt des Kindes ergangen, gebietet es der Grundsatz der Wahrheit der Personenstandsführung im Personenstandsrecht nicht, den Vornamen und Familiennamen der Leihmutter im Haupteintrag des Geburtsregisters zu verlautbaren.

3. Einer Beteiligung der Leihmutter im personenstandsrechtlichen Verfahren bedarf es nicht, wenn hinreichende Anhaltspunkte vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, sie habe das Kind freiwillig an den Wunschvater herausgegeben und wolle keine Elternstellung einnehmen.

(Einsender: RiKG Dr. Ronny Müller)

Nachweiserfordernisse für erbfallbedingte Grundrechtsberichtigung bei ausländischer Gütergemeinschaft

OLG Düsseldorf 23.12.2019 – I-3 Wx 86/19

1. Haben dänische Staatsangehörige in Dänemark geheiratet und dort dauerhaft ihren Wohnsitz gehabt und hat das dänische Nachlassgericht ein „Skiftertsattest om uskiftet bo“ erteilt, mit welchem bescheinigt wird, dass der Nachlass des Erblassers der überlebenden Ehefrau für die Fortsetzung der Gütergemeinschaft ausgeliefert worden ist, so kann diese als erforderlichen Nachweis für eine im Zuge des beabsichtigten Verkaufs eines auf den Erblasser als Eigentümer in BGB-Gesellschaft eingetragenen Grundstücks in einem ersten Schritt durchzuführende Grundbuchberichtigung vom international zuständigen deutschen Nachlassgericht ein Zeugnis über die fortgesetzte Gütergemeinschaft nach dänischem Recht in der Form eines Fremdrechtserbscheins, ausschließlich bezogen auf das im Inland gelegene Grundstück, verlangen.

2. Zu den inhaltlichen Erfordernissen des Güterrechtszeugnisses.

(Einsender: RiOLG Peter von Wnuck-Lipinski)

Verweisung durch Insolvenzgericht und willkürlich unterlassene Prüfung des Mittelpunkts der Geschäftstätigkeit

BayObLG 19.12.2019 – 1 AR 139/19

Verweist das Insolvenzgericht, in dessen Bezirk die vom Eröffnungsantrag betroffene Gesellschaft mit beschränkter Haftung ihren statutarischen, im Handelsregister auch eingetragenen Sitz hat, das Verfahren an das Gericht, in dessen Bezirk die im Handelsregister gleichfalls eingetragene Geschäftsadresse liegt, ohne die ihm obliegenden und sich aufdrängenden Ermittlungen zum Mittelpunkt einer Geschäftstätigkeit an der neuen Geschäftsadresse vorgenommen zu haben, so bindet die Verweisung wegen objektiver Willkür auch dann nicht, wenn das verweisende Gericht seine Entscheidung auf die grob fehlerhafte Rechtsauffassung gestützt hat, mit der Geschäftsadresse habe sich auch der allgemeine Gerichtsstand der Schuldnerin geändert.

Art. 8 Abs. 1 EuZustellVO und Annahmeverweigerung

OLG Düsseldorf 18.12.2019 – I-7 W 66/19

Für die Möglichkeit der Annahmeverweigerung eines Schriftstücks gemäß Art. 8 Abs. 1 lit. a EuZustellVO ist maßgeblich, ob nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände aufgrund der Organisation des Unternehmens und der Art und des Umfangs der Geschäftstätigkeit in einem bestimmten Land davon ausgegangen werden kann, dass in dem Unternehmen Mitarbeiter vorhanden sind, welche sich um rechtliche Auseinandersetzungen mit den Kunden in der Landessprache kümmern können.

(Leitsätze von Marcel Gernert, Köln)

Art. 6 lit. a EuErbVO: Unzuständigkeitserklärung eines ausländischen Notars

OLG Köln 11.12.2019 – 2 Wx 332/19

1. Die formlose Mitteilung eines ausländischen Notars auf die Anwendbarkeit deutschen Erbrechts und der fehlenden eigenen Kenntnis des deutschen Erbrechts stellt keine wirksame Unzuständigkeitserklärung iSd Art. 6 lit. a EuErbVO dar.

2. Eine wirksame und bindende Unzuständigkeitserklärung setzt einen entsprechenden Antrag eines Beteiligten sowie eine Rechtswahl des Erblassers gem. Art. 22 EuErbVO voraus.

§ 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO: Zuständigkeitsbestimmung vor Rechtshängigkeit

KG 31.10.2019 – 2 AR 52/19

1. Eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO kann ausnahmsweise bereits vor dem Eintritt der Rechtshängigkeit erfolgen, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines zuständig ist, jeweils eindeutig und abschließend zum Ausdruck gebracht haben, dass sie sich nicht für zuständig halten, und eine baldige Beilegung des negativen Kompetenzkonfliktes nicht erwartet werden kann.

2. Eine Ersatzzuständigkeit der Gerichte am Sitz der Bundesregierung für eine Klage auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Urteils nach § 722 ZPO kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der Schuldner über inländisches Vermögen verfügt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die betreffenden Vermögensgegenstände zur Befriedigung des Gläubigers ausreichen.

(Einsender: VRiKG Dr. Norbert Vossler, Berlin)

Extraterritoriale Reichweite des discovery-Verfahrens

2nd Circuit Court of Appeals 7.10.2019 – Nos. 18-3226,18-3474, 18-3629 – Del Valle Ruiz v. Santander

1. Zur Reichweite des discovery-Verfahrens nach 28 U.S.C. § 1782, dessen Ergebnisse zur Verwendung in einem außerhalb der USA anhängigen Verfahren bestimmt sind.

2. 28 U.S.C. § 1782 reicht im Rahmen des due process bis zur Grenze der personal jurisdiction über die Person, die zur Offenlegung verurteilt werden soll.

3. Es ist nicht per se ausgeschlossen, mittels 28 U.S.C. § 1782 eine Offenlegung von Dokumenten zu erzwingen, die sich außerhalb der USA befinden.

(Leitsätze von Dr. Susanne Deißner, Köln)

Hilfszuständigkeit nach Art. 10 Abs. 2 EuErbVO

Cass. Civ. 1ière 29.5.2019 – Arrêt n°497

Zum gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung französischer Gerichte nach Art. 4 EuErbVO.

Zu den tatsächlichen Voraussetzungen der Hilfszuständigkeit nach Art. 10 Abs. 2 EuErbVO.

(Leitsätze von Dr. Susanne Deißner, Köln)

Veranstaltungshinweise

  • Vom 16. bis zum 18. April 2020 findet in Wien die 19. jährliche Konferenz zum European Tort Law statt. Veranstalter sind das European Centre of Tort and Insurance Law (ECTIL) und das Institute for European Tort Law of the Austrian Academy of Sciences and the University of Graz (ETL). Im Rahmen der Konferenz werden deliktsrechtliche Neuerungen in den einzelnen Staaten sowie der Union, unter anderem auch rechtvergleichend, betrachtet. Weitere Informationen und Anmeldung unter https://www.oeaw.ac.at/etl/events/annual-conference-acet/.
  • Am 4. Mai 2020 wird an der LMU München der Dispute Resolution Day 2020 „Menschenrechtsklagen vor Zivil- und Schiedsgerichten in Deutschland“ stattfinden. Neben theoretischen und dogmatischen Grundsatzfragen ziviler Menschenrechtsklagen werden auch deren Konsequenzen für die deutsche Justiz, Anwaltschaft und Wirtschaft sowie für potentielle Klageparteien diskutiert. Die Teilnahme ist kostenlos, setzt aber eine Anmeldung voraus. Weitere Informationen sind zu finden unter www.mucdr.jura.uni-muenchen.de.

 

 

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