skip to content

Neueste Informationen Heft 6/2024

Start der digitalen IPRspr

Seit seiner Gründung 1926 gibt das Hamburger Max-Planck-Institut (bzw. sein Vorgängerinstitut) die Entscheidungssammlung „Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des Internationalen Privatrechts“ heraus. Die „IPRspr“ bietet die vollständige und systematische Dokumentation der deutschen Rechtsprechung zum internationalen Privat- und Verfahrensrecht einschließlich des ausländischen Rechts. Inzwischen wurde die IPRspr auf eine frei zugängliche Datenbank umgestellt, auf die unter iprspr.de zugegriffen werden kann. Nutzer erhalten nicht nur einfachen Zugang zu den IPR-Entscheidungen deutscher Gerichte, sondern auch vielfältige Such- und Recherchemöglichkeiten. Derzeit sind ca. 6.500 Entscheidungen in der Datenbank enthalten, die Erfassung reicht bis 2004 zurück. Neue Entscheidungen werden kontinuierlich eingearbeitet. Als Buchveröffentlichung wird die IPRspr hingegen nicht fortgesetzt. Der im Jahr 2022 erschienene Band mit den Entscheidungen von 2019 war somit nach fast hundertjährigem Bestehen der IPRspr die letzte Ausgabe als Druckwerk. Das von Jan Peter Schmidt geleitete Redaktionsteam freut sich auf Feedback (iprspr@mpipriv.de).

 

Art. 7a EGBGB: Geschlechtsstatut tritt in Kraft

Das Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag vom 19.6.2024 hat den neuen Art. 7a EGBGB geschaffen. Es trat am 1.11.2024 in Kraft und regelt das auf das Geschlecht anwendbare Recht. Die Norm knüpft an die Staatsangehörigkeit an und regelt ein einseitiges Wahlrecht zugunsten des deutschen Aufenthaltsrechts. Es besteht auch bei einem Namenswechsel unter den Voraussetzungen oder im Zusammenhang mit der Änderung der Geschlechtszugehörigkeit.

 

Art. 1 Abs. 1 EuGVVO: Verwahrung einer von den Strafverfolgungsbehörden beschlagnahmten Sache

EuGH 4.10.2024 – C-494/23 – QE, IJ ./. DP, EB

Art. 1 Abs. 1 EuGVVO ist dahin auszulegen, dass der Begriff „Zivil- und Handelssachen“ im Sinne dieser Bestimmung ein Verfahren über eine Klage auf Ersetzung der Zustimmung des Beklagten im Zusammenhang mit einem Antrag auf Aufhebung der Verwahrung einer Sache nicht umfasst, wenn das Verfahren über diese Klage ein im Verhältnis zum Verfahren der Verwahrung einer von den Strafverfolgungsbehörden beschlagnahmten Sache inzidentes Verfahren ist.

 

Art. 3 Abs. 1 UAbs. 3 EuInsVO 2017: Hauptniederlassung ist keine Niederlassung i.S.v. Art. 2 Nr. 10 EuInsVO 2017

EuGH 19.9.2024 – C-501/23 – DL ./. Land Berlin

1. Art. 3 Abs. 1 UAbs. 3 EuInsVO 2017 ist dahin auszulegen, dass der Begriff „Hauptniederlassung“ einer natürlichen Person, die eine selbständige gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit im Sinne dieser Bestimmung ausübt, nicht dem in Art. 2 Nr. 10 EuInsVO 2017 definierten Begriff „Niederlassung“ entspricht.

2. Art. 3 Abs. 1 UAbs. 3 EuInsVO 2017 ist dahin auszulegen, dass bei einer natürlichen Person, die eine selbständige gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit ausübt, bis zum Beweis des Gegenteils vermutet wird, dass sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen dieser Person am Ort der Hauptniederlassung dieser Person befindet, auch wenn für diese Tätigkeit kein Personal oder keine Vermögenswerte erforderlich sind.

 

Art. 16 Rom II-VO: Schockschadensersatznorm ist im Zweifel keine Eingriffsnorm

EuGH 5.9.2024 – C-86/23 – E. N. I., Y. K. I. ./. HUK-COBURG-Allgemeine Versicherung AG

Art. 16 Rom II-VO ist dahin auszulegen, dass eine nationale Bestimmung, die vorsieht, dass die Entschädigung für den immateriellen Schaden, den die nahen Familienangehörigen einer bei einem Verkehrsunfall verstorbenen Person erlitten haben, vom Richter nach Billigkeit festgesetzt wird, nicht als „Eingriffsnorm“ im Sinne dieses Artikels angesehen werden kann, es sei denn, der in Rede stehende Rechtsfall weist eine hinreichend enge Verbindung mit dem Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts auf und das angerufene Gericht stellt auf der Grundlage einer eingehenden Prüfung des Wortlauts, der allgemeinen Systematik, des Telos sowie des Entstehungszusammenhangs dieser nationalen Vorschrift fest, dass ihre Einhaltung in der Rechtsordnung dieses Mitgliedstaats als entscheidend angesehen wird, weil sie das Ziel verfolgt, ein wesentliches öffentliches Interesse zu schützen, das durch die Anwendung des nach Art. 4 Rom II-VO maßgebenden Rechts nicht erreicht werden kann.

 

Art. 8 Nr. 1 EuGVVO im Konzern

Schlussanträge der Generalanwältin Juliane Kokott beim EuGH 26.9.2024 – C-393/23

Im Rahmen von Schadensersatzklagen aufgrund von Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht der Union muss das Gericht am Niederlassungsort der Muttergesellschaft bei der Prüfung seiner Zuständigkeit gemäß Art. 8 Nr. 1 EuGVVO hinsichtlich der in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft den Umstand, dass die Muttergesellschaft unmittelbar oder mittelbar (nahezu) das gesamte Kapital der Tochtergesellschaft hält, als gewichtiges Indiz für das Bestehen einer engen Beziehung zwischen den gegen diese Gesellschaften gerichteten Klagen ansehen. Es sind daher im Regelfall keine zusätzlichen Indizien erforderlich, um das Bestehen einer solchen engen Beziehung zu bejahen.

 

Art. 7 Nr. 1 lit. b EuGVVO: Ort des Einsatzes einer Software als Erfüllungsort für deren Online-Bereitstellung

Schlussanträge des Generalanwalts Jean Richard de La Tour beim EuGH 5.9.2024 – C-526/23

Art. 7 Nr. 1 lit. b EuGVVO ist dahin auszulegen, dass der Erfüllungsort für die Online-Bereitstellung von Software beim Fehlen vertraglicher Bestimmungen, die seine Bestimmung ermöglichen, der Ort ist, an dem der Kunde die Software einsetzt.

 

EuKPfVO: Eröffnung eines Drittstaaten-Insolvenzverfahrens und Erlass eines Kontenpfändungsbeschlusses

Vorabentscheidungsersuchen des OLG Frankfurt am Main 10.10.2024 – 7 W 13/24

1. Ist Art. 2 lit. c EuKPfVO in Verbindung mit Erwägungsgrund Nr. 8 VO EuKPfVO so auszulegen, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, das nicht unter die EuInsVO 2017 fällt, sondern in einem Drittstaat geführt wird, den Erlass eines Kontenpfändungsbeschlusses nach Art. 7 Abs. 1 EuKPfVO bzw. die Weiterleitung des Ersuchens um Konteninformationen nach Art. 14 Abs. 3 EuKPfVO ausschließt, wenn das nationale Recht des für den Erlass des Kontenpfändungsbeschlusses zuständigen Mitgliedstaates das Insolvenzverfahren in dem betreffenden Drittstaat anerkennt?

2. Sind Art. 14 Abs. 1 UAbs. 1 und Abs. 3 EuKPfVO – namentlich der vom Gläubiger anzugebende „Grund zu der Annahme, dass der Schuldner ein oder mehrere Konten bei einer Bank in einem bestimmten Mitgliedstaat unterhält“ und dies „ausreichend begründet“ wird – dahingehend auszulegen, dass auch Umstände zu berücksichtigen sind, die nicht konkret auf die Existenz einer Kontoverbindung in dem betreffenden Mitgliedstaat hindeuten, die aber allgemein auf starke wirtschaftliche Verbindungen des Schuldners zu dem betreffenden Mitgliedstaat schließen lassen, wie z.B. Zahlungen an den Schuldner über einen Zahlungsdienstleister mit Sitz in dem betreffenden Mitgliedstaat, der eine Tochtergesellschaft des Schuldners ist,  oder die Existenz einer Agentur oder Zweigniederlassung des Schuldners mit Sitz in diesem Mitgliedstaat?

(Einsender: Dr. Carl Friedrich Nordmeier, OLG Frankfurt am Main)

 

Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO: Erfolgsort bei konzessionslosem Online-Glücksspiel

Vorabentscheidungsersuchen des Oberlandesgericht Wien (Österreich) 27.8.2024 – C-574/24

Ist Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO dahin auszulegen, dass sich der Ort des Schadenseintritts bei einer deliktischen Schadenersatzklage wegen erlittener Spielverluste gegen eine Konzern-Muttergesellschaft, deren Tochtergesellschaft konzessionslos Online-Glücksspiel in Österreich angeboten hat, als solidarisch haftende Mittäterin, richtet nach

a) dem Ort, von dem aus der Spieler Überweisungen von seinem Bankkonto auf das von der Tochtergesellschaft geführte Spielerkonto leistet,

b) dem Ort, wo die Tochtergesellschaft das Spielerkonto führt, auf dem Einzahlungen des Spielers, Gewinne, Verluste und Boni gebucht werden,

c) dem Ort, von dem aus der Spieler Spieleinsätze über dieses Spielerkonto tätigt, die letztlich zu einem Verlust führen,

d) dem Wohnort des Spielers als Belegenheitsort seiner Forderung auf Auszahlung seines Guthabens auf dem Spielerkonto,

e) dem Belegenheitsort seines Hauptvermögens?

 

Art. 7 Nr. 5 EuGVVO: Forderungsabtretung und Verbraucherklage

Vorabentscheidungsersuchen des Sąd Okręgowy w Krakowie (Polen) 14.8.2024 – C-551/24

Fallen Klagen auf Beitreibung einer Forderung, die aufgrund eines Zessionsvertrags erworben wurde, den ein Unternehmer mit Sitz außerhalb der Republik Polen mit einem Verbraucher geschlossen hat und durch den eine Forderung des Verbrauchers gegen einen anderen Unternehmer abgetreten wird, der seinen Sitz ebenfalls in einem anderen Staat der Europäischen Union hat, in die internationale Zuständigkeit polnischer Gerichte gemäß Art. 7 Nr. 1 lit. b zweiter Gedankenstrich sowie Art. 7 Nr. 5 EuGVVO?

 

Art. 25 EuGVVO und Brexit

Vorabentscheidungsersuchen des Handelsgericht Wien (Österreich) 8.8.2024 – C-540/24

1. Ist Art. 25 EuGVVO derart auszulegen, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung, worin die im Vereinigten Königreich und daher (nunmehr) in einem Drittstaat ansässigen Vertragsparteien die Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaats der Europäischen Union für Rechtsstreitigkeiten aus diesem Vertrag vereinbaren, unter diese Bestimmung fällt, selbst wenn der zugrundeliegende Vertrag keine weitere Verbindung zu diesem als Gerichtsstandort gewählten Mitgliedstaat aufweist? Gelten daher die Grundsätze der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu C-566/22 vom 8.2.2024 in gleicher Weise auch für den Fall, wenn der Abschlusszeitpunkt einer Gerichtsstandsvereinbarung zwischen zwei Vertragsparteien mit Sitz im Vereinigten Königreich noch in den Zeitraum vor Ende der Übergangsphase des „Brexit“ per 31.12.2020 hineinfällt, die Klage aber erst nach Wirksamkeit des „Brexit“ eingebracht wurde? Dies unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Vertragslage zwischen diesen (nunmehr) Drittstaatsangehörigen keine weitere Verbindung zum gewählten Mitgliedstaat der Europäischen Union aufweist (siehe dazu aber die Erwägungsgründe 13 und 14 der EuGVVO) und zudem Art. 50 Abs. 3 EUV nach dem „Brexit“ die Anwendbarkeit der europäischen Verträge für das Vereinigte Königreich generell ausschließt.

Falls der Europäische Gerichtshof die Anwendung des Art. 25 EuGVVO in der angefragten Drittstaatskonstellation verneint, stellen sich die nachfolgenden weiteren Fragen:

2. Ist Art. 68 EuGVVO derart auszulegen, dass er das EuGVÜ – auch bei einem Verfahren mit Bezug zum Vereinigten Königreich (unter Berücksichtigung des „Brexit“) – endgültig außer Kraft gesetzt hat, sodass für einen Mitgliedstaat der Europäischen Union aktuell ein Rückgriff auf dieses Übereinkommen nicht mehr möglich ist?

3. Sind die Art. 69 EuGVVO in der Fassung der „Liste 3“ laut Notifizierung gemäß Art. 76 EuGVVO sowie Art. 55 EuGVÜ, 13. Spiegelstrich, derart auszulegen, dass sie das am 14.7.1961 in Wien unterzeichnete britisch-österreichische Abkommen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen und das am 6.3.1970 in London unterzeichnete Protokoll auch in Bezug auf das Vereinigte Königreich (unter Berücksichtigung des „Brexit“) endgültig außer Kraft gesetzt haben, sodass bei einem Verfahren mit Bezug zum Vereinigten Königreich (unter Berücksichtigung des „Brexit“) ein Rückgriff auf diesen völkerrechtlichen Vertrag vom 14.7.1961 nicht mehr möglich ist? Dies auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass nach Art. 70 Abs. 1 EuGVVO die in Art. 69 EuGVVO genannten Übereinkünfte ihre Wirksamkeit für die Rechtsgebiete behalten, auf welche die Verordnung nicht anzuwenden ist. Kann daher nach Art. 70 Abs. 1 EuGVVO in Bezug auf das Vereinigte Königreich ein mit der Republik Österreich abgeschlossener, bereits in der Vergangenheit durch Primärrecht als „ersetzt“ erklärter Staatsvertrag nach dem „Brexit“ zwischen diesen Staaten wieder rückwirkend als wieder anwendbar erklärt werden (sogenanntes „Wiederaufleben eines Staatsvertrags“)?

Falls ja: Würde ein solches „Wiederaufleben“ auch im Anwendungsbereich des – insofern gleichgerichteten – Art. 56 EuGVÜ gelten?

4. Ist Art. 50 Abs. 3 EUV dahingehend auszulegen, dass er einer Anwendung bzw. einem „Wiederaufleben“ der Art. 17 und 18 EuGVÜ auch in Bezug auf das Vereinigte Königreich (unter Berücksichtigung des „Brexit“) entgegensteht, wenn sich in einem in Österreich eingeleiteten Verfahren zwei Prozessparteien mit Sitz im Vereinigten Königreich gegenüberstehen, welche in ihrem – am 6.5.2020 abgeschlossenen – Vertrag eine ausschließliche Zuständigkeit des österreichischen Handelsgerichts Wien vereinbart haben? Genießt insofern die Regelung des Art. 50 Abs. 3 EUV Vorrang vor Art. 66 EuGVÜ, wonach das EuGVÜ „auf unbegrenzte Zeit [gilt]“?

5. Sollte der Europäische Gerichtshof im Sinne der vorgenannten Fragen 2.) bis 4.) zum Ergebnis der vorrangigen Anwendung des EuGVÜ – auch in Bezug auf das Vereinigte Königreich – gelangen, stellt sich die Frage: Steht der grundsätzliche Anwendungsvorrang des EuGVÜ einer Regelung im Vereinigten Königreich entgegen, wonach ein Rückgriff auf das EuGVÜ auch für Gerichtsstandsvereinbarungen, die vor der Wirksamkeit des „Brexit“ abgeschlossen wurden, ausdrücklich ausgeschlossen ist (siehe die bis 29.2.2024 in Geltung stehende und hier – aufgrund Klagserhebung am 30.6.2023 – offenkundig noch anwendbare britische Regelung nach Section 82 Abs. 1 lit. b) i)) der „Regulations 4-25 Civil Jurisdiction and Judgments [amendments etc.] [EU Exit] Regulations 2019 [SI 2019/479])?

Falls nein: Ist ein österreichisches Gericht bei Prüfung der Wirksamkeit einer am 6.5.2020 (demnach vor dem „Brexit“) zwischen zwei britischen Gesellschaften abgeschlossenen Gerichtsstandsvereinbarung mit Wahl eines österreichischen Forums an diesen – im Vereinigten Königreich normierten – Anwendungsausschluss des EuGVÜ nach Section 82 Abs. 1 lit. b) i)) der „Regulations 4-25 Civil Jurisdiction and Judgments (amendments etc) (EU Exit) Regulations 2019 (SI 2019/479), insbesondere aufgrund des Anwendungsvorrangs von Primärrecht, dennoch gebunden, welcher Umstand einer wirksamen Vollstreckung im Vereinigten Königreich grundsätzlich entgegenstünde (Die letzte Frage unterstellt im Sinne der Frage 3.) das Außer-Kraft-Treten des am 14.7.1961 in Wien unterzeichneten britisch-österreichische[n] Abkommens über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen und das am 6.3.1970 in London unterzeichnete Protokoll)?

 

Art. 9 lit. a EuUnterhVO und Entwurf eines Abänderungsantrags

Vorabentscheidungsersuchen des Amtsgericht Schleswig 24.7.2024 – C-516/24

Handelt es sich bei einem Antrag auf Verfahrenskostenhilfe, dem ein Abänderungsantrag in einer Unterhaltssache nur als Entwurf beigefügt ist, der für den Fall der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe förmlich eingereicht werden soll, um ein „gleichwertiges Schriftstück“ iSv. Art. 9 lit. a EuUnterhVO, so dass damit die Anrufung eines nationalen Gerichts erfolgt ist und die Zuständigkeit dieses Gerichts begründet wird?

 

Art. 12 EuUnterhVO: Parallele Klagen auf Kindesunterhalt und Scheidungsunterhalt auch für minderjährige Kinder

Vorabentscheidungsersuchen des OGH (Österreich) 17.5.2024 – C-361/24

1. Ist Art. 12 EuUnterhVO dahin auszulegen, dass zwei Verfahren „zwischen denselben Parteien“ anhängig sind, wenn in dem einen Verfahren Minderjährige ihren Anspruch gegen den Vater auf Leistung des laufenden Unterhalts geltend machen und im anderen Verfahren der Vater zusätzlich zur Scheidung seiner Ehe mit der Mutter der Minderjährigen auch die Festsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber den Minderjährigen beantragt, obwohl die Minderjährigen im Scheidungsverfahren weder Antragsteller noch Antragsgegner sind?

2.a) Ist Art. 12 EuUnterhVO dahin auszulegen, dass Verfahren „wegen desselben Anspruchs“ geführt werden, wenn in dem einen Verfahren die Minderjährigen ihren Anspruch auf laufenden Unterhalt ab sofort geltend machen und im anderen Verfahren der Vater neben der Scheidung seiner Ehe mit der Mutter auch die Festlegung seiner Verpflichtung zur Leistung laufenden Unterhalts der Minderjährigen als Scheidungsfolge begehrt, also für einen künftigen Zeitraum, dessen Beginn noch nicht absehbar ist?

2.b) Ist es für diese Beurteilung relevant, ob der von den Minderjährigen beantragte laufende Unterhalt formal mit der Beendigung des Scheidungsverfahrens befristet wird?

2.c) Fällt die Beantwortung der beiden Fragen 2.a) und 2.b) anders aus, soweit die Minderjährigen den laufenden Unterhalt in Form einer einstweiligen Anordnung begehren?

2.d) Macht es dabei einen Unterschied, ob ein Überlappen der Zeiträume schon nach der Formulierung des Antrags ausgeschlossen oder nur praktisch unwahrscheinlich ist, weil der in Österreich gewährte einstweilige Unterhaltsanspruch mit der Beendigung eines bis zur Zuständigkeitsentscheidung im polnischen Scheidungsverfahren ausgesetzten österreichischen Unterhalts-(haupt-)verfahren befristet ist?

3. Ist Art. 14 EuUnterhVO dahin auszulegen, dass der Antragsteller bei Anhängigkeit eines Hauptverfahrens ein einstweiliges Sicherungsverfahren nach Art. 14 an allen Gerichtsständen der Art 3 ff. EuUnterhVO einleiten kann, obwohl ihm diese Gerichtsstände für ein (weiteres) Hauptverfahren wegen bereits erfolgter Einleitung eines Hauptverfahrens und der damit begründeten Rechtshängigkeit i.S.d. Art. 12 nicht mehr zur Verfügung stehen?

4. Falls Frage 3 verneint wird: Ist Art. 14 EuUnterhVO dahin auszulegen, dass der Antragsteller ein einstweiliges Sicherungsverfahren nach Art. 14 auch bei einem Gericht einleiten kann, das schon für ein Hauptverfahren angerufen wurde, aber sein Verfahren derzeit wegen früher erfolgter Einleitung eines Hauptverfahrens und der damit begründeten Rechtshängigkeit i.S.d. Art. 12 ausgesetzt hat?

5. Falls Frage 3 verneint wird: Ist Art. 14 EuUnterhVO dahin auszulegen, dass einstweilige Maßnahmen einschließlich Sicherungsmaßnahmen nur dann bei einem aufgrund nationaler Normen zuständigen Gericht beantragt werden können, wenn eine reale Verknüpfung zwischen der beantragten Maßnahme und der gebietsbezogenen Zuständigkeit i.S.d. Rechtsprechung C-391/95, van Uden und C-125/79, Denilauler ./. S. N. C. Couchet Frères besteht?

Wenn ja, kommen außer einem erfolgversprechenden Vollzug in diesem Mitgliedstaat auch andere Kriterien für die reale Verknüpfung in Betracht (hier insbesondere der Wohnsitz der antragstellenden Minderjährigen; die Anhängigkeit des ausgesetzten Hauptverfahrens aufgrund des Antrags der Minderjährigen; der Wohnsitz des Antragsgegners bei Einleitung des ausgesetzten Hauptverfahrens aufgrund des Antrags der Minderjährigen)?

6. Falls Frage 3 verneint wird: Ist Art. 5 EuUnterhVO dahin auszulegen, dass die rügelose Einlassung des Vaters in ein Verfahren über einstweiligen Ehegattenunterhalt auch die rügelose Einlassung in ein Verfahren über einstweiligen Kindesunterhalt bewirkt, wenn alle Unterhaltsansprüche mit einem Verlassen der Familie durch den Vater/Ehemann begründet werden und Gegenstand desselben Rechtshängigkeit begründenden Scheidungsverfahrens sind, die Sicherungsmaßnahmen für den Unterhalt aber aufgrund des nationalen Rechts in unterschiedlichen Verfahrensarten geltend zu machen sind?

 

Art. 71 Abs. 2 EuErbVO: Europäisches Nachlasszeugnis und Vorabentscheidungsersuchen einer nichtgerichtlichen Behörde

Vorabentscheidungsersuchen der Notarin in Krapkowice Justyna Gawlica (Polen) 27.3.2024 – C-240/24

1. Ist Art. 71 Abs. 2 EuErbVO dahin auszulegen, dass eine nichtgerichtliche Behörde, die ein Europäisches Nachlasszeugnis ausgestellt hat, im Rahmen eines Verfahrens über den Widerruf oder eine Änderung des ausgestellten Zeugnisses zur Einreichung eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV befugt ist?

Falls diese Frage bejaht wird:

2. Lässt Art. 71 Abs. 2 EuErbVO es zu, dass die Kosten eines Verfahrens über den Widerruf oder eine Änderung eines Europäischen Nachlasszeugnisses nach nationalem Recht einer Bank auferlegt werden, die nicht am Verfahren zur Ausstellung des Zeugnisses beteiligt war und keinen Antrag auf dessen Widerruf oder Änderung gestellt hat, aber die Legitimationswirkungen des ihr vorgelegten Zeugnisses derart infrage gestellt hat, dass die Ausstellungsbehörde von Amts wegen ein Verfahren über den Widerruf oder eine Änderung des Zeugnisses eingeleitet hat, das unter Beteiligung dieser Bank durchgeführt worden ist?

Falls diese Frage bejaht wird:

3. Ist Art. 69 Abs. 2 EuErbVO dahin auszulegen, dass eine Bank, der eine gültige beglaubigte Abschrift eines Europäischen Nachlasszeugnisses vorgelegt wird, nicht befugt ist, die Erbenstellung der durch das Zeugnis legitimierten Person infrage zu stellen?

 

Ordre public im Sinne des Art. V Abs. 2 lit. b UNÜ: Verletzung des rechtlichen Gehörs nur auf Rüge zu prüfen

BayObLG 1.10.2024 – 101 Sch 45/24e

1. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung eines dänischen Schiedsspruchs vor einem deutschen Gericht kann abgelehnt werden, wenn ein Verstoß gegen den ordre public im Sinne des Art. V Abs. 2 lit. b UNÜ vorliegt. Dies ist regelmäßig in Fällen der Verletzung des rechtlichen Gehörs im Sinne des Art. 103 Abs. 1 GG der Fall. Grundsätzlich ist zwar die Einhaltung des ordre public in Vollstreckbarerklärungsverfahren von Amts wegen zu prüfen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kann dennoch regelmäßig nur infolge einer ordnungsgemäßen Rüge geprüft werden.

2. Ein Versagungsgrund nach Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ besteht nicht in einer fehlenden förmlichen Zustellung, wenn diese nach dem maßgeblichen Verfahrensrecht, welches in der von den Parteien des Schiedsverfahrens in der Schiedsvereinbarung gewählten Schiedsordnung besteht, kein Wirksamkeitserfordernis ist.

(Leitsätze v. Karin Jackwerth, Köln)

 

Art. 8 Abs. 3 des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens und Brautgabevereinbarung

OLG Düsseldorf 26.9.2024 – II-7 UF 93/22

1. Ansprüche aus einer Brautgabevereinbarung zwischen Ehegatten mit ursprünglich ausschließlicher iranischer Staatsangehörigkeit, die nachträglich auch die deutsche Staatsbürgerschaft erworben haben, beurteilen sich gemäß Art. 8 Abs. 3 des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens nach iranischem Recht, soweit es um den abgeschlossenen Sachverhalt der Vereinbarung der Brautgabe und die Frage der ursprünglichen Wirksamkeit dieser Abrede geht. Demgegenüber richten sich nach Hinzuerwerb der deutschen Staatsangehörigkeit bei gewöhnlichem Aufenthalt der Ehegatten in Deutschland die rechtlichen Wirkungen der Brautgabevereinbarung im Übrigen und damit insbesondere auch die Frage einer Störung der Geschäftsgrundlage i.S.d. § 313 BGB gemäß Art. 14 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB nach deutschem Recht.

2. Wenn der aus einem Brautgabeversprechen berechtigten Ehefrau nach einem Wechsel des Scheidungs- und Folgesachenstatuts Ansprüche aus dem deutschen Scheidungsfolgenrecht zustehen, kann gemäß § 313 BGB wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage eine Herabsetzung der Brautgabe geboten sein. Ist der zur Leistung der Brautgabe verpflichtete Ehemann in der Scheidungsfolgesache Versorgungsausgleich im Saldo ausgleichspflichtig, kann die Brautgabevereinbarung gemäß § 313 BGB dergestalt anzupassen sein, dass die Brautgabe um den der Ehefrau zustehenden Kapitalwert des Saldos aus dem Wertausgleich nach §§ 10 ff. VersAusglG gekürzt wird.

 

Brexit: Austrittsabkommen geht Art. 17 Abs. 1 lit. c, Art. 18 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 EuGVVO vor

OLG München 16.9.2024 – 17 U 1521/24e

Bei der Ermittlung der internationalen gerichtlichen Zuständigkeit ist den Art. 67 Abs. 1 lit. a und Art. 126 des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft 2019 (Austrittsabkommen) gegenüber den Art. 17 Abs. 1 lit. c, Art. 18 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 EuGVVO ein Vorrang einzuräumen, da andernfalls die Regelungen des Austrittsabkommens zur Beendigung der Anwendbarkeit der EuGVVO zu großen Teilen leerliefen. Letzteres dürfte von den Vertragsparteien nicht gewollt gewesen sein. Das Zurücktreten der EuGVVO hinter dem Austrittsabkommen folgt ebenso aus Art. 216 Abs. 2 AEUV und dem damit verbundenen Vorrang völkerrechtlicher Abkommen der Europäischen Union.

(Leitsatz v. Karin Jackwerth, Köln)

 

Achmea-Folge-Entscheidung

BayObLG 13.9.2024 – 101 Sch 146/23 e

1. Eine Schiedsvereinbarung zwischen zwei Mitgliedstaaten der Europäischen Union verstößt gegen Art. 267 und 344 AEUV, wenn sie dazu führt, dass bei Streitigkeiten nicht die volle Wirksamkeit des Unionsrechts gewährleistet werden kann. Daher ist eine Schiedsvereinbarung, auf deren Grundlage Schiedsverfahren eingeleitet werden können, die Fragen zur Auslegung oder Anwendung von Unionsrecht enthalten, nur wirksam, wenn entweder das Schiedsgericht selbst vorlageberechtigt iSd. Art. 267 AEUV ist oder jeder Schiedsspruch der Kontrolle durch ein vorlageberechtigtes Gericht eines Mitgliedstaats unterliegt.

2. An diesen Voraussetzungen scheitert der Streitbeilegungsmechanismus in Art. 10 Abs. 2 BIT-CZ bei Streitigkeiten zwischen einem Mitgliedstaat und einem Investor aus einem anderen Mitgliedstaat und verstößt daher nach den Grundsätzen der Achmea-Entscheidung des EuGH gegen Art. 344 und Art. 267 AEUV. Ebenso ist der Streitbeilegungsmechanismus in Art. 26 Abs. 2 lit. c, Abs. 3 lit. a VEC in einer solchen Konstellation nicht anzuwenden, da ein Schiedsspruch gemäß Art. 26 Abs. 8 VEC endgültig und bindend ist und somit nicht umfassend die Einhaltung von Unionsrecht sichergestellt werden kann.

3. Die Unwirksamkeit eines Schiedsspruchs in der Hauptsache aufgrund einer unionsrechtswidrigen Schiedsvereinbarung wirkt sich gleichsam auf einen zu der Hauptsache ergangenen Kostenbescheid aus. So kann ein Kostenbescheid auch nicht deshalb als vollstreckbar anerkannt werden, weil er in gleicher Weise ausgefallen wäre, wenn das Schiedsgericht richtig entschieden und die Schiedsklage zurückgewiesen hätte.

4. Der Partei, die ursprünglich das Schiedsgericht angerufen hat, bleibt es nicht wegen Verstoßes gegen § 242 BGB verwehrt, sich auf ein Fehlen einer wirksamen Schiedsvereinbarung zu berufen, wenn sie auf eine Schiedsvereinbarung eingegangen ist, die noch vor Beitritt der anderen Partei zur Europäischen Union angeboten wurde und die andere Partei in der Pflicht gewesen wäre, die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung zu Beginn des Schiedsverfahrens zu rügen.

(Leitsätze v. Karin Jackwerth, Köln)

 

Art. 4 EuErbVO und Demenz: animus manendi für gewöhnlichen Aufenthalt erforderlich

OLG Karlsruhe 22.7.2024 – 14 W 50/24 (Wx)

Für die Bestimmung des unionsautonom auszulegenden Begriffes des „gewöhnlichen Aufenthalts“ eines Erblassers im Sinne des Art. 4 EuErbVO ist neben dem objektiven Kriterium des tatsächlichen Aufenthalts in subjektiver Hinsicht das Vorliegen eines animus manendi (Bleibewille) erforderlich. An dem fehlt es, wenn ein demenzkranker Erblasser gegen oder ohne seinen Willen in ein Pflegeheim im Ausland verbracht wurde, ohne dass der Erblasser über die reine Pflege hinausgehende Bindungen zu dem Land hatte, in dem er bis zu seinem Tod gepflegt wurde.

 

Güterrechts- und Ehesache: Annex-Zuständigkeit nach Art. 5 Abs. 1 EuGüVO

KG 19.7.2024 – 16 UF 39/22

1. a) Wenn das Ehescheidungsverfahren vor einem inländischen Gericht geführt wurde, besteht für eine Güterrechtssache eine internationale (Annex-) Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 5 Abs. 1 EuGüVO. Dabei müssen Güterrechts- und Ehesache nicht im gleichen Verfahren betrieben werden, sondern die Zuständigkeit nach Art. 5 Abs. 1 EuGüVO ist auch dann gegeben, wenn die Güterrechtssache in einem gesonderten Verfahren, unabhängig von der Ehesache, anhängig gemacht wird.

b) Nach Art. 69 EuGüVO ist getrennt zu prüfen, ob die EuGüVO in Bezug auf die internationale Zuständigkeit anwendbar ist (Art. 69 Abs. 1 EuGüVO) sowie – in einem zweiten Schritt –, ob sie auch hinsichtlich des anwendbaren Rechts gilt (Art. 69 Abs. 3 EuGüVO).

2. Wenn der Beteiligte einer Beurkundungsverhandlung gegenüber dem beurkundenden Notar unzutreffende Angaben zu seinen Sprachkenntnissen macht, sich der Notar aufgrund dieser Angaben eine (möglicherweise unzutreffende) Überzeugung von den Sprachkenntnissen des Beteiligten verschafft und der Beteiligte im Verlauf der Beurkundung auch nicht auf seine (angeblich) fehlenden bzw. unzureichenden Sprachkenntnisse aufmerksam macht, muss der Beteiligte die vom beurkundenden Notar getroffenen, in der Urkunde vermerkten Feststellungen gegen sich gelten lassen mit der Folge, dass es ihm in einem nachfolgenden Rechtsstreit verwehrt ist, aus diesem Umstand Bedenken in Bezug auf die Gültigkeit des notariell beurkundeten Ehevertrags herzuleiten (Bejahung der Kenntnis der thailändische Amtssprache, obwohl angeblich nur ein thailändischer Regionaldialekt beherrscht werden soll).

3. Von einer Sittenwidrigkeit eines Ehevertrages kann im Allgemeinen nicht ausgegangen werden, wenn:

a) der vereinbarte modifizierte Zugewinnausgleich, wonach es bei einer Beendigung der Ehe durch Tod eines Ehegatten bei den gesetzlichen Bestimmungen sein Bewenden haben soll, wohingegen im Scheidungsfall kein Zugewinnausgleich erfolgen soll, dazu dient, im Scheidungsfall den Bestand des (kleinen) Unternehmens eines der beiden Ehegatten abzusichern, das für diesen Ehegatten dessen Lebensgrundlage und alleinige Altersvorsorge darstellt und dessen Bestand deshalb nicht durch eventuelle Ausgleichszahlungen gefährdet werden soll;

b) der vereinbarte Ausschluss des Versorgungsausgleichs aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles ausschließlich dem wirtschaftlich schwächeren Ehegatten zugutekommt, weil der andere, als Unternehmer selbständig erwerbstätige Ehegatte keinerlei spezifische Altersvorsorge betrieben hat und dies auch künftig nicht beabsichtigt, wohingegen der wirtschaftlich schwächere Ehegatte aufgrund einer abhängigen Erwerbstätigkeit bzw. aufgrund der Betreuung eventueller, aus der Ehe hervorgehender Kinder Versorgungsanrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erwerben soll (und auch tatsächlich erworben hat), die ihm im Scheidungsfall auf diese Weise ungeschmälert erhalten bleiben;

c) der vereinbarte Ausschluss nachehelicher Unterhaltsansprüche die Unterhaltsansprüche wegen Kinderbetreuung und wegen Alters nach §§ 1570, 1571 BGB und damit solche Unterhaltsansprüche vom vereinbarten nachehelichen Unterhaltsverzicht ausnimmt, die nach der Kernbereichslehre des Bundesgerichtshofs an erster und zweiter Stelle rangieren. Dass die vom Unterhaltsausschluss ausgenommenen Unterhaltsansprüche im Hinblick auf Höhe und Dauer beschränkt werden, ist unschädlich, wenn die Beschränkung insgesamt maßvoll ausfällt und sich an den „Eckwerten“ des früheren, bis zur Unterhaltsrechtsreform üblichen „Altersphasenmodells“ orientiert;

d) die verbliebenen Nachteile aus dem Ehevertrag zugunsten des wirtschaftlich schwächeren Ehegatten durch eine angemessene Abfindungsleistung kompensiert werden, deren Höhe sich an dem letzten, vom wirtschaftlich schwächeren Ehegatten unmittelbar vor der Eheschließung erzielten monatlichen Erwerbseinkommen orientiert und sich in einer Größenordnung von grob etwa 75% des monatlichen Durchschnittseinkommen im Heimatland des betreffenden Ehegatten im Zeitpunkt des Ehevertragsabschlusses bewegt, wenn dieser Ehegatte – dem Ehevertrag zufolge – im Scheidungsfall beabsichtigt, in sein Heimatland zurückzukehren.

 

Geschäftsfähigkeitsstatut und Feststellung der Volljährigkeit

OLG Karlsruhe 10.7.2024 – 18 UF 69/24

1. Zur Beschwerdebefugnis des Jugendamts nach §§ 59 Abs. 3, 162 Abs. 3 S. 2 FamFG in einem Verfahren auf Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge.

2. Die Frage, bis wann eine Person minderjährig ist und daher eines Vormunds bedarf, ist nach internationalem Privatrecht selbstständig anzuknüpfen und entscheidet sich nach dem in Art. 7 Abs. 2 EGBGB normierten Geschäftsfähigkeitsstatut.

3. Ist in tatsächlicher Hinsicht fraglich, ob der Betroffene noch minderjährig ist, hat sich das Gericht unter Ausschöpfung aller verfahrensrechtlich möglichen und zulässigen sowie nach den Umständen veranlassten Aufklärungsmöglichkeiten nach Möglichkeit Gewissheit bezüglich des tatsächlichen Alters des Betroffenen zu verschaffen. Lassen sich danach gleichwohl Zweifel an der Volljährigkeit nicht ausräumen, ist grundsätzlich zugunsten des Betroffenen von dessen Minderjährigkeit auszugehen.

4. Fehlt es an einer zuverlässigen Telefonverbindung, genügen gleichwohl stattfindende gelegentliche Telefonate mit der in Afghanistan lebenden Mutter nicht, um davon ausgehen zu können, dass diese ihrer Sorgeverantwortung zuverlässig nachkommen kann.

 

Art. 3 Abs. 1 lit. d EuErbVO: Schenkungsvereinbarung nach französischem Recht „entre vifs“

OLG Schleswig 30.4.2024 – 3 Wx 6/23

1. Eine Schenkungsvereinbarung nach französischem Recht „entre vifs“ ist Verfügung von Todes wegen in Form eines Erbvertrags gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. d EuErbVO, wenn durch sie einem Vertragspartner beim Tod des anderen Vermögenswerte übertragen werden. Maßgeblich ist insbesondere, wenn mit der Vereinbarung auch erbrechtlich zwingende Regelungen für den Todesfall erfasst und geregelt werden.

2. Zur Rechtswahl nach Art. 83 EuErbVO.

3. Zur Frage der besseren Eignung eines Gerichts eines anderen Staates im Sinne von Art. 6 lit. a EuErbVO zur Entscheidung, wenn die dortige aktuelle gesetzliche Erbfolge nicht leicht zu ermitteln ist, eine Verfügung von Todes wegen die bei ihrer Errichtung geltende, leicht zu bestimmende gesetzliche Erbfolge aber zugrunde gelegt und aufgegriffen hat.

 

Art. 21 Abs. 1 EuErbVO und Art. 28 Abs. 3 des Konsularvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken: Qualifikation des § 1371 Abs. 1 BGB

OLG Köln 4.3.2024 – 2 Wx 22/24

1. Art. 21 Abs. 1 EuErbVO bestimmt, dass deutsches Erbrecht Anwendung findet, wenn der Erblasser zum Todeszeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte. Soweit bei Bezug zum russischen Recht der Art. 28 Abs. 3 des Konsularvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, der für die Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis zur Russischen Föderation weiterhin gilt, gemäß Art. 75 Abs. 1 EuErbVO vorrangig Anwendung findet, wird ebenfalls deutsches Erbrecht zur Anwendung berufen.

2. Die Anwendbarkeit des § 1371 Abs. 1 BGB zur Erhöhung der Quote für Ehegatten hängt davon ab, ob auch für das Ehegüterstatut deutsches Recht gilt. Dies richtet sich bei einer vor dem 29.1.2019 ohne Rechtswahlvereinbarung geschlossenen Ehe gemäß Art. 229 § 47 Abs. 2 EGBGB nach Art. 15 i.V.m. Art. 14 EGBGB in der bis einschließlich 28.1.2019 geltenden Fassung. Danach ist das für die allgemeinen Ehewirkungen im Sinne des Art. 14 EGBGB maßgebliche Recht das Recht des Ehegüterstatuts. Wenn die Eheleute keine übereinstimmende Staatsangehörigkeit haben, bestimmt sich dieses Recht nach dem gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt bei Eheschließung.

3. Wenn dieser Aufenthalt in Russland lag, kommt russisches Kollisionsrecht zur Anwendung. Nach Art. 161 Nr. 1 S. 1 des Familiengesetzbuches der Russischen Föderation (FGB) beruft dieses bei einem letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Eheleute in Deutschland als Ehegüterstatut deutsches Recht.

(Leitsätze v. Karin Jackwerth, Köln)

 

Art. 7 Nr. 2 EuGVVO: Erfolgsort bei Verletzung inländischen Urheberrechts

AG München 23.8.2024 – 161 C 12981/24

1. Deutsche Gerichte sind nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO international zuständig, wenn Fotos, die streitgegenständlich sind, im Inland abrufbar sind. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich der Internetauftritt bestimmungsgemäß an Personen in Deutschland richtet.

2. Die Verletzung inländischen Urheberrechts setzt grundsätzlich eine zumindest teilweise im Inland begangene Handlung voraus. Die Feststellung dieses hinreichenden Inlandsbezugs erfordert eine Gesamtabwägung, die sowohl berücksichtigt, welche Auswirkungen die Nutzungshandlung auf die inländischen wirtschaftlichen Interessen des Schutzrechtsinhabers hat, als auch, ob und inwieweit die Rechtsverletzung sich als unvermeidbare Begleiterscheinung technischer oder organisatorischer Sachverhalte darstellt, auf die der Beklagte keinen Einfluss hat.

(Leitsätze v. Mira Lindenberger, Köln)

 

Art. 21 EuErbVO: Gewöhnlicher Aufenthalt auf Yacht und Ferienhaus?

OGH 25.6.2024 – 2 Ob 88/24s

Allein der Umstand, dass der Erblasser ein Haus und eine Yacht in Spanien als Feriendomizil und für Wochenend- und Feiertagsaufenthalte hat, begründet keinen dortigen gewöhnlichen Aufenthalt i.S.v. Art. 21 EuErbVO.

(Leitsatz v. Mira Lindenberger, Köln)

 

 

Veranstaltungshinweise

  • Am 24. und 25.4.2025 wird zum 24. Mal die Annual Conference On European Tort Law in Wien stattfinden. Die Konferenz wird die wichtigsten Entwicklungen im Deliktsrecht in Europa im Jahr 2024 beleuchten und eine Diskussion über deren Auswirkungen ermöglichen. Weitergehende Informationen unter https://www.oeaw.ac.at/etl/events/annual-conference-acet
  • Am 26. und 27.6.2025 findet an der Universität Graz der 4. IPR Workshop statt. Bei Fragen wenden Sie sich gerne an ipr-workshop@uni-graz.at. Weitergehende Informationen und Anmeldung ab Anfang 2025 unter https://zivilrecht.uni-graz.at/de/ipr-workshop
  • Vom 28.7. bis 15.8.2025 wird der Sommerkurs für internationales Privatrecht der Hague Academy of International Law stattfinden. Nach der Inauguaral Lecture von Linda Silberman wird der diesjährige General Course für Internationales Privatrecht das Thema „International Dispute Resolution in the XXI Century“ behandeln und von Burkhard Hess (Universität Wien) gehalten werden. Die Anmeldung ist vom 1.11.2024 bis zum 31.1.2025 über das Online-Anmeldeformular der Hague Academy of International Law möglich. Weitergehende Informationen unter https://www.hagueacademy.nl/programmes/the-summer-courses/
*