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IPRax-Heft 2011,1

Neueste Informationen Heft 2011,1

Rom III-VO vor Verabschiedung

Der Rat hat sich auf seiner Sitzung am 2./3.12.2010 im Grundsatz auf einen Text der Rom III-VO geeinigt („Proposal for a Council Regulation implementing enhanced cooperation in the area of the law applicable to divorce and legal separation“ zu finden unter http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/10/st17/st17045.en10.pdf). Die Abstimmung im Parlament über die Annahme der legislativen Entschließung zum Vorschlag fand am 15.12.2010 statt. Die förmliche Annahme durch den Rat ist in der Sitzung der Umweltminister am 20.12.2010 erfolgt. Weitere Informationen sind in der Pressemitteilung (http://www.consilium.europa.eu//uedocs/cms_data/docs/pressdata/en/jha/118195.pdf) des Rates zu finden.

 

Juristentag: Gegen die Aufenthaltsanknüpfung in der Erbrechts-VO

Der 68. Juristentag, welcher vom 21.9–24.9.2010 in Berlin stattfand, hat beschlossen, dass das geplante Europäische Nachlasszeugnis auf Sachverhalte mit Auslandsberührung beschränkt bleiben soll. Die Anknüpfung an das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers (Übergang vom Staatsangehörigkeits- zum Aufenthaltsprinzip) wurde abgelehnt.

 

Reform der EuGVVO

Die Europäische Kommission hat am 14.12.2010 eine Reform der EuGVVO beschlossen. Kernpunkte des Vorschlags (KOM 2010/748, abrufbar unter  http://ec.europa.eu/justice/policies/civil/docs/com_2010_748_en.pdf) sind die Abschaffung des Exequaturverfahrens, die Schaffung eines einheitlichen Verbrauchergerichtsstands und Regeln zur Schiedsgerichtsbarkeit. Außerdem sieht der Kommissionsvorschlag auch vor, dass zukünftig ein in einer Gerichtsstandvereinbarung genanntes Gericht die erste ausschließliche Zuständigkeit erhält, über seine eigene Zuständigkeit zu entscheiden. Weitere Informationen sind der Pressemitteilung der Kommission zu entnehmen, die unter der Dokumentennummer IP/10/1705 oder folgender URL zu finden ist: http://bit.ly/ePGjXO.

 

Kommission plant Legislativvorschlag zur Anerkennung von Personenstandsurkunden

Auf der Sitzung vom 14.12.2010 hat sich die Europäische Kommission darauf verständigt, die Anerkennung von Personenstandsurkunden innerhalb der EU zu regeln. Das Grünbuch der Kommission über den freien Verkehr von Dokumenten hat die Dokumentennummer KOM 2010/747. Die Pressemitteilung der Kommission (Dokumentennummer IP/10/1704 oder folgende URL: http://bit.ly/gshcLZ) enthält weitere Informationen.

 

„Ausrichten“ einer Website und Art. 15 EuGVVO

EuGH 7.12.2010 – verbundene Rs. C-585/08 und C-144/09 – Peter Pammer ./. Reederei Karl Schlüter GmbH & Co. KG und Hotel Alpenhof GesmbH ./. Oliver Heller

1. Ein Vertrag über eine Frachtschiffsreise wie der im Ausgangsverfahren der Rechtssache C?585/08 fragliche stellt einen Reisevertrag, der für einen Pauschalpreis kombinierte Beförderungs- und Unterbringungsleistungen vorsieht, im Sinne von Art. 15 Abs. 3 EuGVVO dar.

2. Für die Feststellung, ob ein Gewerbetreibender, dessen Tätigkeit auf seiner Website oder der eines Vermittlers präsentiert wird, als ein Gewerbetreibender angesehen werden kann, der seine Tätigkeit auf den Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, im Sinne von Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO „ausrichtet“, ist zu prüfen, ob vor einem möglichen Vertragsschluss mit dem Verbraucher aus diesen Websites und der gesamten Tätigkeit des Gewerbetreibenden hervorgeht, dass dieser mit Verbrauchern, die in einem oder mehreren Mitgliedstaaten, darunter dem Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers, wohnhaft sind, in dem Sinne Geschäfte zu tätigen beabsichtigte, dass er zu einem Vertragsschluss mit ihnen bereit war.

Die folgenden Gesichtspunkte, deren Aufzählung nicht erschöpfend ist, sind geeignet, Anhaltspunkte zu bilden, die die Feststellung erlauben, dass die Tätigkeit des Gewerbetreibenden auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ausgerichtet ist, nämlich der internationale Charakter der Tätigkeit, die Angabe von Anfahrtsbeschreibungen von anderen Mitgliedstaaten aus zu dem Ort, an dem der Gewerbetreibende niedergelassen ist, die Verwendung einer anderen Sprache oder Währung als der in dem Mitgliedstaat der Niederlassung des Gewerbetreibenden üblicherweise verwendeten Sprache oder Währung mit der Möglichkeit der Buchung und Buchungsbestätigung in dieser anderen Sprache, die Angabe von Telefonnummern mit internationaler Vorwahl, die Tätigung von Ausgaben für einen Internetreferenzierungsdienst, um in anderen Mitgliedstaaten wohnhaften Verbrauchern den Zugang zur Website des Gewerbetreibenden oder seines Vermittlers zu erleichtern, die Verwendung eines anderen Domänennamens oberster Stufe als desjenigen des Mitgliedstaats der Niederlassung des Gewerbetreibenden und die Erwähnung einer internationalen Kundschaft, die sich aus in verschiedenen Mitgliedstaaten wohnhaften Kunden zusammensetzt. Es ist Sache des nationalen Richters, zu prüfen, ob diese Anhaltspunkte vorliegen.

Hingegen ist die bloße Zugänglichkeit der Website des Gewerbetreibenden oder seines Vermittlers in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, nicht ausreichend. Das Gleiche gilt für die Angabe einer elektronischen Adresse oder anderer Adressdaten oder die Verwendung einer Sprache oder Währung, die in dem Mitgliedstaat der Niederlassung des Gewerbetreibenden die üblicherweise verwendete Sprache und/oder Währung sind.

 

Einstweiliger Rechtsschutz bei Regelung der elterlichen Sorge

EuGH 9.11.2010 – Rs. C-296/10 – Purrucker ./. Vallés Pérez

1. Die Vorschrift des Art. 19 Abs. 2 EuEheVO ist nicht anwendbar, wenn das zur Regelung der elterlichen Verantwortung zuerst angerufene Gericht eines Mitgliedstaats nur zum vorläufigen Rechtsschutz nach Art. 20 dieser Verordnung und das Gericht eines anderen Mitgliedstaats, das nach der EuEheVO für die Entscheidung in der Hauptsache zuständig ist, später ebenfalls zur Regelung der elterlichen Verantwortung angerufen wird, sei es zu einer einstweiligen oder zu einer endgültigen Regelung.

2. Der Umstand, dass ein Gericht eines Mitgliedstaats im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes angerufen wird oder eine Entscheidung in einem solchen Verfahren ergeht und der eingereichte Antrag oder die ergangene Entscheidung nichts enthält, woraus sich ergibt, dass das im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes angerufene Gericht nach der EuEheVO zuständig ist, schließt nicht zwangsläufig aus, dass es – wie dies möglicherweise nach dem nationalen Recht dieses Mitgliedstaats zulässig ist – einen mit dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz in Zusammenhang stehenden Antrag in der Hauptsache gibt, der Angaben enthält, mit denen dargetan werden soll, dass das angerufene Gericht nach dieser Verordnung zuständig ist.

3. Verfügt das später angerufene Gericht trotz seiner Bemühungen, sich bei der Partei, die sich auf Rechtshängigkeit beruft, dem zuerst angerufenen Gericht und der Zentralen Behörde zu informieren, nicht über Angaben, die es erlauben, den mit einem Antrag bei einem anderen Gericht verfolgten Anspruch zu bestimmen, und die insbesondere darauf gerichtet sind, die Zuständigkeit dieses Gerichts nach der EuEheVO darzutun, und gebietet aufgrund besonderer Umstände das Kindeswohl den Erlass einer Entscheidung, die in anderen Mitgliedstaaten als dem des später angerufenen Gerichts anerkennungsfähig ist, so hat dieses Gericht nach Ablauf einer angemessenen Frist für den Eingang der Antworten auf die gestellten Fragen die Prüfung des bei ihm eingereichten Antrags fortzusetzen. Die Dauer dieser angemessenen Frist hat dem Kindeswohl unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des betreffenden Verfahrens Rechnung zu tragen.

 

Art. 10 EuGVVO und Haager KindesentführungsÜ

Vorabentscheidungsersuchen des Court of Appeal, Civil Division (England und Wales) an den EuGH vom 18.10.2010 – Rs. C-497/10 – Barbara Mercredi ./. Richard Chaffe

1. Der Gerichtshof wird ersucht, zu erläutern, nach welchen Kriterien der gewöhnliche Aufenthalt eines Kindes im Sinne von Art. 8 EuEheVO und Art. 10 EuEheVO zu bestimmen ist.

2. Ist ein Gericht eine „Behörde oder sonstige Stelle“, der das Sorgerecht im Sinne der Bestimmungen der EuEheVO zugewiesen werden kann?

3. Bleibt Art. 10 anwendbar, nachdem die Gerichte des ersuchten Mitgliedstaats einen Antrag auf Rückgabe des Kindes nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen von 1980 wegen Nichterfüllung der Voraussetzungen der Art. 3 und 5 [dieses Übereinkommens] abgelehnt haben?

4. Wie ist insbesondere der Konflikt zu lösen zwischen der Entscheidung des ersuchten Staats, dass die Voraussetzungen der Art. 3 und 5 des Haager Kindesentführungsübereinkommens von 1980 nicht vorliegen, und der Entscheidung des ersuchenden Staats, dass die Voraussetzungen vorliegen?

 

Schrankenlose Entscheidungsfreizügigkeit auch bei gravierenden Grundrechtsverletzungen?

Vorabentscheidungsersuchen des Oberlandesgerichts Celle (Deutschland) an den EuGH vom 15.10.2010 – Rs. C-491/10 – Joseba Andoni Aguirre Zarraga ./. Simone Pelz

1. Hat das Gericht des Vollstreckungsmitgliedsstaats ausnahmsweise in Fällen gravierender Grundrechtsverstöße in der zu vollstreckenden Entscheidung des Ursprungsmitgliedsstaates bei Grundrechts-Charta-konformer Auslegung des Art. 42 EuEheVO eine eigene Prüfungskompetenz?

2. Ist das Gericht des Vollstreckungsmitgliedsstaates trotz einer nach Aktenlage vom Gericht des Ursprungsmitgliedsstaates offensichtlich unzutreffend ausgestellten Bescheinigung nach Art. 42 EuEheVO zur Vollstreckung verpflichtet?

 

Intertemporaler Anwendungsbereich der Rom II-VO

Vorabentscheidungsersuchen des High Court of Justice; Queen's Bench Division (England und Wales), an den EuGH vom 18.8.2010 – Rs. C-412/10 – Deo Antoine Homawoo ./. GMF Assurances SA

1. Sind die Art. 31 und 32 Rom II-VO in Verbindung mit Art. 297 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union dahin auszulegen, dass ein nationales Gericht diese Verordnung, insbesondere ihren Art. 15 lit. c Rom II-VO, in einem Fall anzuwenden hat, in dem das schadensbegründende Ereignis am 29.8.2007 eingetreten ist?

2. Wird die Antwort auf Frage 1 durch einen der folgenden Umstände berührt:

(i) den Umstand, dass das Verfahren, mit dem Schadensersatz eingeklagt wird, am 8.1.2009 eingeleitet worden ist;

(ii) den Umstand, dass das nationale Gericht bis zum 11.1.2009 nicht bestimmt hat, welches Recht anwendbar ist?
Ist unter dem Staat, in dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer im Sinne von Art. 6 Abs. 2 lit. b EVÜ, eingestellt hat, der Staat zu verstehen, in dem sich die Niederlassung des Arbeitgebers befindet, die den Arbeitnehmer nach dem Arbeitsvertrag eingestellt hat, oder der Staat, in dem sich die Niederlassung des Arbeitgebers befindet, bei der der Arbeitnehmer tatsächlich beschäftigt ist, auch wenn er seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet?

 

Arbeitsort und Niederlassung nach Rom I-VO

Vorabentscheidungsersuchen des Hof van Cassatie van België (Belgien) an den EuGH vom 29.7.2010 – Rs. C-384/10 – Jan Voogsgeerd ./. Navimer SA

1. Ist der Ort, an dem ein Arbeitnehmer, der seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet, verpflichtet ist, sich anzumelden, und die Weisungen und Anordnungen zur Durchführung seiner Tätigkeiten erhält, als Ort der tatsächlichen Beschäftigung im Sinne der ersten Frage anzusehen?

2. Muss die Niederlassung des Arbeitgebers, bei der der Arbeitnehmer im Sinne der ersten Frage tatsächlich beschäftigt ist, bestimmte formelle Anforderungen wie den Besitz eigener Rechtspersönlichkeit erfüllen oder genügt hierfür das Bestehen einer faktischen Niederlassung?

3. Kann die Niederlassung einer anderen Gesellschaft, zu der die Arbeitgebergesellschaft Beziehungen unterhält, als Niederlassung im Sinne der dritten Frage gelten, auch wenn die Weisungsbefugnis nicht an diese andere Gesellschaft übertragen worden ist?

 

 

Öffentliche Zustellung und Grundrechte-Charta/Ausrichten einer Website

Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Regensburg an den EuGH vom 11.6.2010 – Rs.
C-292/10 – G ./. Cornelius de Visser

a) Stehen die Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1, 1. Halbsatz EUV i.V.m. Art. 47 Abs. 2 Satz 1 EU-Grundrechte-Charta oder andere europäische Rechtsvorschriften einer sogenannten öffentlichen Zustellung nach nationalem Recht (gemäß §§ 185 bis 188 der deutschen ZPO durch Aushang der Benachrichtigung über die Zustellung an der Aushangtafel des die Zustellung anordnenden Gerichts für die Dauer von 1 Monat) entgegen, wenn der Gegner eines (beginnenden) Zivilrechtsstreits zwar auf seiner Website eine Adresse auf dem Gebiet der Europäischen Union (nachfolgend: Unionsgebiet) angibt, jedoch eine Zustellung mangels dortigen Aufenthalts des Beklagten nicht möglich und auch sonst nicht feststellbar ist, wo sich der Beklagte momentan aufhält?

b) Für den Fall, dass die Frage unter Ziffer 2 a zu bejahen ist:
Hat dann das nationale Gericht die nationalen Vorschriften, die eine öffentliche Zustellung zulassen, entsprechend der bisherigen Rechtsprechung des EuGH (zuletzt Rs. C-341/08; abgedruckt in Deutschland in Neue Juristische Wochenschrift 2010 S. 587 bis 592) auch dann unangewendet zu lassen, wenn das nationale Recht eine solche Verwerfungskompetenz nur dem (deutschen) Bundesverfassungsgericht zubilligt?
und
Müsste die Klägerin eine neue zustellungsfähige Anschrift des Beklagten dem Gericht zur erneuten Zustellung der Klage mitteilen, um ihr die Durchsetzung ihrer Rechte zu ermöglichen, da nach nationalem Recht ohne öffentliche Zustellung und mangels Kenntnis vom Aufenthaltsort des Beklagten eine Durchführung des Prozesses nicht möglich wäre?

c) Für den Fall, dass die Frage unter Ziffer 2 a verneint wird: Steht im vorliegenden Fall dem Erlass eines Versäumnisurteils nach § 331 der deutschen Zivilprozessordnung, also eines Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen im Sinne der EuVTVO, soweit die Verurteilung zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens € 20.000,00 nebst Zinsen und Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 1.419,19 nebst Zinsen begehrt wird, Art. 26 Abs. 2 EuGVVO entgegen?
Die nachfolgenden Fragen stehen jeweils unter der Bedingung, dass der Rechtsstreit für die Klägerin entsprechend den Antworten des EuGH zu den Fragen in Ziffern 2 a bis 2 c weiter durchführbar ist:

d) Ist die EuGVVO im Hinblick auf die Art. 4 Abs. 1, 5 Nr. 3 EuGVVO auch in Fällen anwendbar, in denen der Beklagte eines Zivilprozesses, wegen Betriebs einer Website auf Unterlassung, Auskunft und Schmerzensgeld verklagt, zwar (mutmaßlich) Unionsbürger im Sinne des Art. 9 Satz 2 EUV, jedoch sein Aufenthaltsort unbekannt, und es damit auch denkbar aber keineswegs sicher ist, dass er sich derzeit außerhalb des Unionsgebiets und auch außerhalb des Restvertragsbereichs des LugÜ aufhält, sowie der genaue Standort des Servers, auf dem die Website gespeichert ist, nicht bekannt, es jedoch naheliegend ist, dass sich dieser auf Unionsgebiet befindet?

e) Wenn die EuGVVO in diesem Fall anwendbar ist: Ist die Wendung „Ort, an dem das schädigende Ereignis einzutreten droht“ in Art. 5 Nr. 3 der EuGVVO bei (drohenden) Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Inhalte auf einer Internet-Website dahingehend auszulegen, dass die Betroffene (nachfolgend: Klägerin) eine Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzklage gegen den Betreiber der Website (nachfolgend: Beklagter) unabhängig davon, wo (innerhalb oder außerhalb des Unionsgebiets) der Beklagte niedergelassen ist, auch bei den Gerichten jedes Mitgliedstaats erheben kann, in dem die Website abgerufen werden kann, oder setzt die Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaats, in dem der Beklagte nicht niedergelassen ist, oder es keinerlei Anhaltspunkte für den Aufenthalt des Beklagten auf dem Gebiet dieses Mitgliedsstaats gibt, voraus, dass ein über die technisch mögliche Abrufbarkeit hinausgehender besonderer Bezug der angegriffenen Inhalte oder der Website zum Gerichtsstaat (Inlandsbezug) besteht?

f) Wenn ein solcher besonderer Inlandsbezug erforderlich ist: Nach welchen Kriterien bestimmt sich dieser Bezug?
Kommt es darauf an, ob sich die angegriffene Website gemäß der Bestimmung des Betreibers zielgerichtet (auch) an die Internetnutzer im Gerichtsstaat richtet oder genügt es, dass die auf der Website abrufbaren Informationen objektiv einen Bezug zum Gerichtsstaat in dem Sinne aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen - Interesse der Klägerin an der Achtung ihres Persönlichkeitsrechts und Interesse des Betreibers an der Gestaltung seiner Website- nach den Umständen des konkreten Falls, insbesondere aufgrund des Inhalts der beanstandeten Website, im Gerichtsstaat tatsächlich eingetreten sein kann oder eintreten kann beziehungsweise dadurch eingetreten ist, dass ein oder mehrere Bekannte der in ihrem Persönlichkeitsrecht Verletzten vom Inhalt der Website Kenntnis genommen haben?

g) Kommt es für die Feststellung des besonderen Inlandsbezugs maßgeblich auf die Anzahl der Abrufe der beanstandeten Website vom Gerichtsstaat aus an?

h) Für den Fall, dass für die Klage das vorlegende Gericht nach vorstehenden Fragen zuständig sein sollte: Gelten die Rechtsgrundsätze im Urteil des EuGH vom 7.3.1995 (Rs. C-68/93; abgedruckt in Deutschland in Neue Juristische Wochenschrift 1995 S. 1881 bis 1883) auch im vorstehend beschriebenen Fall?

i) Wenn es für die Bejahung der Zuständigkeit keines besonderen Inlandsbezugs bedarf oder wenn es für die Annahme eines solchen genügt, dass die beanstandeten Informationen objektiv einen Bezug zum Gerichtsstaat in dem Sinne aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen im Gerichtsstaat nach den Umständen des konkreten Falls, insbesondere aufgrund des Inhalts der beanstandeten Website, tatsächlich eingetreten sein kann oder eintreten kann beziehungsweise dadurch eingetreten ist, dass ein oder mehrere Bekannte der in ihrem Persönlichkeitsrecht Verletzten Kenntnis vom Inhalt der Website genommen haben, und die Annahme eines besonderen Inlandsbezugs nicht die Feststellung einer Mindestanzahl von Abrufen der beanstandeten Website vom Gerichtsstaat aus voraussetzt, oder die EuGVVO auf den vorliegenden Fall gar nicht anwendbar ist:
Sind Art. 3 Abs. 1 und 2 e-commerce-Richtlinie dahingehend auszulegen, dass diesen Bestimmungen ein kollisionsrechtlicher Charakter in dem Sinne beizumessen ist, dass sie auch für den Bereich des Zivilrechts unter Verdrängung der nationalen Kollisionsnormen die alleinige Anwendung des im Herkunftsland geltenden Rechts anordnen, oder
handelt es sich bei diesen Vorschriften um ein Korrektiv auf materiell-rechtlicher Ebene, durch das sachlich-rechtliche Ergebnis des nach den nationalen Kollisionsnormen für anwendbar erklärten Rechts inhaltlich modifiziert und auf die Anforderungen des Herkunftslandes reduziert wird?

j) Für den Fall, dass Art. 3 Abs. 1 und 2 e-commerce-Richtlinie kollisionsrechtlichen Charakter haben:
Ordnen die genannten Bestimmungen lediglich die alleinige Anwendung des im Herkunftsland geltenden Sachrechts oder auch die Anwendung der dort geltenden Kollisionsnormen an mit der Folge, dass ein renvoi des Rechts des Herkunftslands auf das Recht des Bestimmungslands möglich bleibt?

k) Für den Fall, dass Art. 3 Abs. 1 und 2 e-commerce-Richtlinie kollisionsrechtlichen Charakter haben:
Ist für die Bestimmung des Ortes der Niederlassung des Diensteanbieters auf dessen (mutmaßlichen) jetzigen Aufenthaltsort, den Aufenthaltsort zu Beginn der Veröffentlichung der Fotos von der Klägerin oder den (mutmaßlichen) Standort des Servers, auf dem die Website gespeichert ist, abzustellen?

 

IPR des Schuldbeitritts

BGH 11.11.2010 – VII ZR 44/10

Auf einen Vertrag mit Verbindung zu einem ausländischen Staat, durch den eine Vertragspartei der Schuld eines Dritten gegenüber der anderen Vertragspartei beitritt, ist gemäß Art. 28 Abs. 2 EGBGB grundsätzlich das Recht des Niederlassungsortes des Beitretenden anzuwenden. Allein der dem Schuldbeitritt immanente Zusammenhang mit dem Recht der ursprünglichen Schuld hat regelmäßig keine ausreichend starke Indizwirkung, um eine engere Verbindung i.S. von Art. 28 Abs. 5 EGBGB zu begründen.

 

UnterhaltsÜ und § 1615 Abs. 1 BGB

BGH 10.11.2010 – XII ZR 37/09

Das Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2.10.1973 (HUÜ 73) ist auch auf Unterhaltsansprüche nach § 1615 Abs. l BGB anzuwenden, die auf der Familie mit dem gemeinsamen Kind beruhen. Die Anwendbarkeit des deutschen Rechts entfällt deswegen nicht nach Art. 7 HUÜ 73.

 

Vorsätzliche Beteiligung eines ausländischen Brokers an Kapitalanlagedelikt

BGH 12.10.2010 – XI ZR 394/08

Zur vorsätzlichen Beteiligung eines ausländischen Brokers an der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung von Kapitalanlegern durch einen inländischen Terminoptionsvermittler, wenn der ausländische Broker von dem Geschäftsmodell des inländischen Vermittlers, das in der Gebührenstruktur zum Ausdruck kommt, positive Kenntnis hat.

 

IPR des § 32 Abs. 1 KWG bei Kapitalanlagedelikt

BGH 5.10.2010 – VI ZR 159/09

1. Im Sinne von Art. 13 Abs. 1 LugÜ kann auch ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 32 Abs. 1 KWG ein Anspruch „aus einem Vertrag“ sein und damit der Zuständigkeit für Verbrauchersachen unterliegen.

2. Für die Anknüpfung an einen Vertrag und die Begründung der Zuständigkeit für Verbrauchersachen nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 LugÜ genügt, dass sich die Schadenshaftung allgemein auf einen Vertrag bezieht und eine Klage, die auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, eine so enge Verbindung zu dem Vertrag aufweist, dass sie von ihm nicht getrennt werden kann.

 

Anwendungsbereich des CMR

BGH 30.9.2010 – I ZR 39/09

Trifft den Frachtführer nach Art. 29 Abs. 1 CMR ein qualifiziertes Verschulden, kann der Geschädigte ungeachtet der Beschränkungen des Art. 23 CMR Schadensersatz nach den anwendbaren nationalen Bestimmungen verlangen. Auch in diesem Fall bleibt es dem Geschädigten unbenommen, seinen Schaden auf der Grundlage der Art. 17 bis 28 CMR zu berechnen. Wählt er diesen Weg, bleibt das Haftungssystem der CMR vollständig, also insbesondere einschließlich der Haftungsbeschränkung nach Art. 23 Abs. 3 CM, anwendbar.

 

Schiedsabrede und AGB-Klausel

BGH 8.6.2010 – XI ZR 41/09

Gestaltet ein ausländischer Broker seine Vertragsformulare so, dass seine Unterzeichnung der dort aufgeführten Schiedsabrede nicht vorgesehen ist, kann seinem Vertragspartner, der das Formular zwar selbst unterschrieben hat, sich aber auf die Formnichtigkeit der Schiedsabrede beruft, kein widersprüchliches Verhalten vorgeworfen werden.

 

Schiedsklauseln in Verträgen ausländischer Broker

BGH 8.6.2010 – XI ZR 349/08

1. Schiedsklauseln in Verträgen ausländischer Broker mit inländischen Verbrauchern sind nach deutschem Recht zu beurteilen und müssen die Form des § 1031 Abs. 5 ZPO einhalten.

2. Ein ausländischer Broker beteiligt sich bedingt vorsätzlich an einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung von Kapitalanlegern durch einen inländischen Terminoptionsvermittler, wenn er diesem ohne Überprüfung seines Geschäftsmodells bewusst und offenkundig den unkontrollierten Zugang zu ausländischen Börsen eröffnet.

 

Qualifikation des russischen Fiskuserbrechts

KG Berlin 5.10.2010 – 1 W 45/09

1. Art. 117 Abs. 3 GU, der seit Mai 1962 unmittelbar geltendes Recht in der gesamten UdSSR war und bestimmt, dass das Vermögen des Erblassers durch Erbfolge auf den Staat übergeht, ist privates, grundsätzlich überall durchsetzbares Erbrecht und nicht als staatliches Okkupationsrecht ausgestaltet.

2. Die Anwendung des Erbrechts der UdSSR führt nicht zu einem Ergebnis, das gegen den deutschen ordre public verstößt.

 

Verfahrenskostenhilfe im Anerkennungsverfahren nach § 107 FamFG

OLG Stuttgart 4.10.2010 – 17 VA 1/10

1. Keine Anwendbarkeit der Vorschriften über die Verfahrenskostenhilfe im Anerkennungsverfahren nach § 107 Abs. 1 bis 4 FamFG.

2. Zur Kostenentscheidung für eine nach verweigerter VKH im Anerkenntnisverfahren eingelegten Beschwerde.

 

Ghanaisches Gewohnheitsrecht

KG Berlin 23.9.2010 – 1 W 168/10

1. Eine vom High Court of Justice, Accra, Ghana, ausgesprochene Erklärung über eine rechtsgültige Adoption in Übereinstimmung mit dem ghanaischen Gewohnheitsrecht ist in Deutschland als Entscheidung nach § 16a FGG (a.F.) anerkennungsfähig und verstößt nicht gegen den deutschen ordre public.

2. Maßgebender Zeitpunkt für die Bestimmung des Verstoßes gegen den ordre public ist der Zeitpunkt in dem über die Anerkennung zu entscheiden ist. Etwaige Mängel des Adoptionsverfahrens sind bei der Prüfung der Vereinbarkeit einer Adoptionentscheidung mit dem ordre public nach Ablauf einer längeren Zeit gegen die Verfestigung gelebter Familienbande und die Bindung an den inländischen Lebenskreis abzuwägen.

 

Keine Steuerumgehung mittels liechtensteinischer Stiftungen

OLG Düsseldorf 30.4.2010 – I-22 U 126/06

Zur Unwirksamkeit liechtensteinischer Stiftungen, die zur Umgehung der deutschen Steuer benutzt werden, sowie zu daraus folgenden Bereicherungsansprüchen der Erben gegen die Begünstigten der Stiftung.

 

Anerkennung von punitive damage-Urteilen nach deutschem Recht

Franz. Cour de Cassation 1ère civile 1.12.2010 – 09-13.303

Ausländische Urteile, die Strafschadensersatz gewähren, verstoßen grundsätzlich nicht gegen die öffentliche Ordnung und werden anerkannt. Sofern sie aber unverhältnismäßig zum erlittenen Schaden und der Vertragsverletzung sind, liegt ausnahmsweise ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung vor.

 

Sitz der kontoführenden Stelle als Erfolgsort im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO

Franz. Cour de Cassation Ch. Comm. 8.6.2010 – 09-13.381

Gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVVO kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats hat, im Falle des Vorliegens einer unerlaubten Handlung vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, verklagt werden. Dieser Schadensort liegt bei unerlaubtem Entzug (Auszahlung) von einem Bankkonto am Ort des Sitzes der kontoführenden Stelle.

 

Anerkennung von Geburtsurkunden

Belg. Cour d’Appel de Liège 6.9.2010 – 2010/RQ/20

Zur Anerkennung in Belgien von in Kalifornien (USA) ausgestellten Geburtsurkunden, die zugleich den biologischen Vater des Kindes und den Auftraggeber der Zeugung als Vater ausweisen.

 

Kontrollkompetenz des britischen Supreme Court bei Schiedsverfahrensvereinbarungen

Brit. Supreme Court 3.11.2010 – [2010] UKSC 46 – Dallah Real Estate Tourism Holding Company v. The Ministry of Religious Affairs, Pakistan

Zum Umfang der Kontrollkompetenz des englischen Supreme Court gem. § 103 Abs. 2 lit. b des britischen Arbitration Act von 1996 und Art. V Abs. 1 lit. a New Yorker Übereinkommen vom 10.6.1958, sowie zur Bedeutung der Lehre von der Kompetenz-Kompetenz innerhalb dieses Acts und zur Anwendung von Schiedsverfahrens-Vereinbarungen auf Nicht-Unterzeichner.

 

Anwendungsbereich der Rom II-VO

Engl. Court of Appeal (Civil Division) 27.10.2010 – [2010] EWCA Civ 1208 – Jacobs v. Motor Insurers Bureau

Zur Berücksichtigung der Rom II-VO bei der Klärung der Frage, nach welchem Recht Schadensersatzansprüche infolge eines Autounfalls zwischen einem Deutschen und einem Briten auf spanischem Territorium zu ermitteln sind.

 

Keine Rechtswahl im englischen internationalen Ehegüterrecht

Brit. Supreme Court 20.10.2010 – [2010] UKSC 42 – Radmacher (formerly Granatino) v. Granatino

Zur Geltung von Rechtswahlklauseln in England und Wales zugunsten des deutschen Rechts in Eheverträgen.

 

Veranstaltungshinweise

Am 21.1.2011 veranstalten das Centre for the Study of European Contract Law (CSECL) und der Amsterdam Circle for Law & Language (ACLL) eine eintägige englischsprachige Konferenz über die Bedeutung juristischer Übersetzung für die Rechtsangleichung. Das Hauptaugenmerk wird bei dieser interdisziplinären Konferenz auf der Funktion juristischer Übersetzung bei der Harmonisierung des nationalen Rechts der EU-Mitgliedsstaaten liegen. Zu den Vortragenden gehören sowohl führende Wissenschaftler auf dem Gebiet der Rechtsvergleichung und des juristischen Übersetzens als auch Vertreter von EU-Institutionen. Eine Anmeldung ist bis zum 7.1.2011 möglich. Weitere Informationen zur Konferenz und den Anmeldemodalitäten: http://www.jur.uva.nl/csecl und www.jur.uva.nl/acll.

Vom 28. bis 30.4.2011 findet die vom Institut für Europäisches Schadenersatzrecht der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ESR) und dem Europäischen Zentrum für Schadenersatz- und Versicherungsrecht (ECTIL) veranstaltete „Annual Conference on European Tort Law“ zum zehnten Mal in Wien statt. Die Konferenz, die in englischer Sprache abgehalten wird, informiert über die neuesten Entwicklungen des Schadenersatzrechts in Europa im Berichtsjahr 2010. Es werden ReferentInnen aus 28 europäischen Rechtsordnungen erwartet. Zudem stehen ein kurzer rechtsvergleichender Überblick und eine Darstellung der Entwicklungen auf europäischer Ebene auf dem Programm. Die Konferenz wird mit weiteren schadenersatzrechtlichen Vorträgen fortgesetzt, die dem Themenbereich „Omissions“ gewidmet sein werden. Weitere Informationen und Anmeldung: Europäisches Zentrum für Schadenersatz- und Versicherungsrecht (ECTIL) Reichsratsstrasse 17/2, 1010 Wien, Österreich; Tel. +43 (1) 4277 29650; Fax +43 (1) 4277 29670; E-Mail: ectilSpamProtectionectil.org; http://www.ectil.org.

Stand: 04.01.2011

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