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IPRax-Heft 2011,2

Neueste Informationen Heft 2011,2

Auftakt einer Beitragsreihe zur Reform der EuGVVO

Am 14.12.2010 hat die EU-Kommission ihre lang erwarteten Vorschläge zur Reform der EuGVVO vorgelegt. Zugleich wurde das förmliche Rechtssetzungsverfahren zur Änderung der Verordnung eingeleitet. Für die kommenden Monate ist eine intensive, rechtspolitische Debatte über die Funktion und die Reform des zentralen Rechtsinstruments des Europäischen Rechtsinstruments zu erwarten. Diese Diskussion sollte sich nicht nur auf den Rechtsakt selbst beschränken, sondern die Zukunft des Europäischen Zivilprozessrechts insgesamt in den Blick nehmen. In dieser Debatte ist die Prozessrechtswissenschaft gefordert, die sich in die europäische Justizpolitik (weiter) aktiv einbringen muss. In diesem Heft (S. 125) geht Prof. Dr. Hess auf wesentliche Schwerpunkte der Reformvorschläge zur EuGVVO ein und stellt sie dem aktuellen Entwicklungsstand des Europäischen Zivilprozessrechts gegenüber. Der Beitrag enthält eine erste Bewertung der Reformvorschläge. Er soll eine Reihe von Beiträgen zur Reform der EuGVVO und zur Zukunft des Europäischen Zivilprozessrechts einleiten, welche die IPRax abdrucken wird.


Korrigendum zu Pirrung, „Gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes bei internationalem Wanderleben und Voraussetzungen für die Zulässigkeit einstweiliger Maßnahmen in Sorgerechtssachen nach der EuEheVO“ in IPRax 2011, 50

Durch ein Versehen beim Druck wurde der vom Autor formulierte Abstract nicht zutreffend abgedruckt. Im Abstract des Beitrags muss es richtig heißen: „Judgment and Opinion in case A give rise to the hope that the ECJ will interpret the Brussels IIa regulation 2201/2003 in a way leading to a success approaching the one in respect of the Brussels I regulation 44/2001, the former Brussels Convention of 1968”.


Luganer Übereinkommen für die Schweizerische Eidgenossenschaft in Kraft getreten

Das Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen von Lugano ist im Verhältnis zur Schweiz zum 1.1.2011 in Kraft getreten, nachdem die Bundesversammlung das Ermächtigungsgesetz im Dezember 2009 genehmigt, und die Schweiz die Ratifikationsurkunde am 20.10.2010 hinterlegt hat. Die Mitteilung an die anderen Vertragsstaaten, einschließlich der Vorbehalte und Erklärungen der Eidgenossenschaft zum Übereinkommen, ist unter http://bit.ly/f244CT zu finden.


Grünbuch der EU-Kommission zum freien Verkehr öffentlicher Urkunden und der Anerkennung der Rechtswirkungen von Personenstandsurkunden

Wie in den Neuesten Informationen in IPRax Heft 1, 2011, S. II gemeldet, plant die Kommission einen Legislativvorschlag zur Anerkennung von Personenstandsurkunden. Das vorbereitende Grünbuch, Dokumentennummer KOM (2010) 747 (endg.), ist online unter  HYPERLINK "http://ec.europa.eu/justice/policies/civil/docs/com_2010_747_de.pdf" \t "_blank" http://ec.europa.eu/justice/policies/civil/docs/com_2010_747_de.pdf abrufbar.


Bericht der Kommission zur Anwendung der Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums

Die EU-Kommission hat einen Bericht zur Anwendung der Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (VO 2004/48/EG) erstellt (KOM (2010) 779 endg.). Er ist unter http://register.consilium.europa.eu/pdf/de/11/st05/st05140.de11.pdf abrufbar. Die Kommission stellt darin den derzeitigen Stand der Vereinheitlichung des Schutzes geistigen Eigentums auf materiell-rechtlicher und verfahrensrechtlicher Ebene dar. Die Ratspräsidentschaft hat einen vorläufigen Fragenkatalog zu dem Bericht erarbeitet (Dokumenten-Nr. 6141/11), welcher unter http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/11/st06 /st06141.en11.pdf zugänglich ist. Dabei deuten die Fragen an, dass die Ratspräsidentschaft einen Vereinheitlichungsbedarf insbesondere im Bereich der Maßnahmen im einstweiligen Rechtsschutz und im Verhältnis von Bereicherungs- und Deliktsrecht sieht.


Pariser Handelsgericht und Fremdsprachen

Seid dem 17.1.2011 verfügt das Pariser Handelsgericht über eine Kammer für internationale Handelssachen. Die mit neun Laienrichtern besetzte „3. Kammer“ ermöglicht den Parteien Dokumente in englischer, deutscher oder spanischer Sprache in den Prozess einzubringen. Dies scheint aber nicht Schriftsätze sowie die mündliche Verhandlung zu betreffen; soweit ist offenbar noch die französische Sprache zu verwenden.


Neues chinesisches IPR-Gesetz

Am 1.4.2010 tritt in der Volksrepublik China das am 28.10.2010 erlassene Gesetz über die Rechtsanwendung auf Zivilbeziehungen mit Auslandsberührung in Kraft und regelt ab diesem Zeitpunkt das anwendbare Recht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten. Das Gesetz enthält 52 Artikel und gliedert sich in die folgenden acht Kapitel: Allgemeine Bestimmungen, Zivilrechtssubjekt, Ehe und Familie, Erbrecht, Sachenrecht, Schuldrecht, Geistiges Eigentum und Ergänzende Regeln. Eine deutsche (S. 199) und eine englische Übersetzung (S. 203) des Gesetzes sind in diesem Heft zu finden.


Freizügigkeitsrecht als Basis des unionsrechtlichen Namensrechts und Abschaffung des Adelsnamens

EuGH 22.12.2010 – Rs. C-208/09 – Ilonka Sayn-Wittgenstein ./. Landeshauptmann von Wien

Art. 21 AEUV ist dahin auszulegen, dass er es den Behörden eines Mitgliedstaats nicht verwehrt, unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die Anerkennung des Nachnamens eines Angehörigen dieses Staates in allen seinen Bestandteilen, wie er in einem zweiten Mitgliedstaat, in dem dieser Staatsangehörige wohnt, bei seiner Adoption als Erwachsener durch einen Staatsangehörigen dieses zweiten Staates bestimmt wurde, abzulehnen, wenn dieser Nachname einen Adelstitel enthält, der im ersten Mitgliedstaat aus verfassungsrechtlichen Gründen unzulässig ist, sofern die in diesem Zusammenhang von diesen Behörden ergriffenen Maßnahmen aus Gründen der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt sind, d.h. zum Schutz der Belange, die sie gewährleisten sollen, erforderlich sind und in einem angemessenen Verhältnis zu dem legitimerweise verfolgten Zweck stehen.


Begriff des Gewöhnlichen Aufenthalts und EuEheVO

EuGH 22.12.2010 – Rs. C-497/10 PPU – Barbara Mercredi ./. Richard Chaffe

1. Der Begriff „gewöhnlicher Aufenthalt“ ist für die Zwecke der Art. 8 und 10 EuEheVO dahin auszulegen, dass darunter der Ort zu verstehen ist, an dem eine gewisse Integration des Kindes in ein soziales und familiäres Umfeld zu erkennen ist. Dabei sind, wenn es sich um einen Säugling handelt, der in einen anderen Mitgliedstaat als den seines gewöhnlichen Aufenthalts verbracht wurde und der sich dort mit seiner Mutter erst seit einigen Tagen befindet, u.a. zum einen die Dauer, die Regelmäßigkeit und die Umstände des Aufenthalts im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats sowie die Gründe für diesen Aufenthalt und den Umzug der Mutter in diesen Staat zu berücksichtigen und zum anderen, insbesondere wegen des Alters des Kindes, die geografische und familiäre Herkunft der Mutter sowie die familiären und sozialen Bindungen der Mutter und des Kindes in dem betreffenden Mitgliedstaat. Es ist Sache des nationalen Gerichts, den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls festzustellen.

Falls die Anwendung der oben genannten Kriterien im Ausgangsverfahren zu dem Ergebnis führen sollte, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes nicht festgestellt werden kann, muss das zuständige Gericht anhand des Kriteriums der „Anwesenheit des Kindes“ im Sinne von Art. 13 der Verordnung bestimmt werden.

2. Die Entscheidungen eines Gerichts eines Mitgliedstaats, mit denen ein Antrag auf sofortige Rückführung eines Kindes in den Zuständigkeitsbereich eines Gerichts eines anderen Mitgliedstaats nach dem Haager Übereinkommen vom 25.10.1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung abgelehnt wird und die die elterliche Verantwortung für dieses Kind betreffen, haben keine Auswirkungen auf die Entscheidungen, die in dem anderen Mitgliedstaat in zuvor eingeleiteten und dort noch anhängigen Verfahren bezüglich der elterlichen Verantwortung zu treffen sind.


Keine Menschenrechtskontrolle im Vollstreckungsstaat nach der EuEheVO

EuGH 22.12.2010 – Rs. C-491/10 PPU – Joseba Andoni Aguirre Zarraga ./. Simone Pelz

Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens kann sich das zuständige Gericht des Vollstreckungsmitgliedstaats der Vollstreckung einer mit einer Bescheinigung versehenen Entscheidung, mit der die Rückgabe eines widerrechtlich zurückgehaltenen Kindes angeordnet wird, nicht mit der Begründung entgegenstellen, dass das Gericht des Ursprungsmitgliedstaats, das diese Entscheidung erlassen hat, gegen Art. 42 EuEheVO nach dessen mit Art. 24 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union konformer Auslegung verstoßen habe, da für die Beurteilung der Frage, ob ein solcher Verstoß vorliegt, ausschließlich die Gerichte des Ursprungsmitgliedstaats zuständig sind.


Freizügigkeitsrecht als Basis des unionsrechtlichen Rechts der Namensschreibweise

Schlussanträge des Generalanwalts Niilo Jääskinen vom 16.12.2010 – Rs. C-391/09 – Malgožata Runevi??Vardyn, ?ukasz Wardyn ./. Vilniaus miesto savivaldyb?s administracija, Lietuvos Respublikos teisingumo ministerija, Valstybin? lietuvi? kalbos komisija, Vilniaus miesto savivaldyb?s administracijos Teis?s departamento Civilin?s metrikacijos skyrius

Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29.6.2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft ist dahin auszulegen, dass er auf nationale Bestimmungen wie die im Ausgangsverfahren fraglichen keine Anwendung findet.

Im Kontext des Ausgangsverfahrens ist Art. 12 Unterabs. 1 EG, der eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verbietet, dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, in seiner Rechtsordnung vorzusehen, dass der Vor- oder der Nachname eines seiner Staatsangehörigen in Personenstandsurkunden nur unter Verwendung von Buchstaben der Landessprache und ohne diakritische Zeichen, Ligaturen oder sonstige Veränderungen der Buchstaben des lateinischen Alphabets, die in anderen Sprachen verwendet werden, eingetragen werden darf. Dieser Artikel verbietet hingegen eine solche Praxis im Hinblick auf einen Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats.

Im Kontext des Ausgangsverfahrens ist Art. 18 Abs. 1 EG, wonach jeder Unionsbürger das Recht hat, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat verwehrt, in seiner Rechtsordnung vorzusehen, dass der Vor- oder der Nachname eines Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats oder der von einem seiner eigenen Staatsangehörigen, der mit einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats die Ehe geschlossen hat, gewählte Ehename in den Personenstandsurkunden nur unter Verwendung von Buchstaben der Landessprache eingetragen werden darf. Dieser Artikel schreibt einem Mitgliedstaat hingegen nicht die Verwendung von diakritischen Zeichen, Ligaturen oder sonstigen Veränderungen der Buchstaben des lateinischen Alphabets vor, die in anderen Sprachen verwendet werden.


Gewöhnlicher Arbeitsort nach EVÜ

Schlussanträge der Generalanwältin Verica Trstenjak vom 16.12.2010 – Rs. C-29/10 – Heiko Koelzsch ./. Großherzogtum Luxemburg

Art. 6 Abs. 2 lit. a EVÜ ist dahin auszulegen, dass – wenn ein Arbeitnehmer seine Arbeit in mehreren Vertragsstaaten verrichtet – der Staat, in dem der Arbeitnehmer im Sinne dieser Bestimmung in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, jener Staat ist, in dem oder von dem aus der Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des betreffenden Falles tatsächlich den wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber erfüllt. Diese Beurteilung ist unter Berücksichtigung aller Einzelheiten des Sachverhalts vom nationalen Gericht vorzunehmen.


Vertragsketten und Reichweite von Gerichtsstandsvereinbarungen nach EuGVVO

Vorabentscheidungsersuchen der Cour de cassation (Frankreich), an den EuGH vom 22.11.2010– Rs. C-543/10 – Refcomp SpA ./. Axa Corporate Solutions Assurance SA, AXA France IARD, Emerson Network, Climaveneta SPA

1. Entfaltet eine zwischen dem Hersteller und dem Käufer einer Ware im Rahmen einer Kette von Verträgen innerhalb der Gemeinschaft gemäß Art. 23 EuGVVO geschlossene Gerichtsstandsvereinbarung ihre Wirkungen gegenüber dem späteren Erwerber und, wenn ja, unter welchen Bedingungen?

2. Entfaltet die Gerichtsstandsvereinbarung ihre Wirkungen gegenüber dem späteren Erwerber bzw. seinem Versicherer, auf die seine Rechte übergegangen sind, selbst wenn Art. 5 Nr. 1 EuGVVO auf die Klage des späteren Erwerbers gegen den Hersteller nicht anwendbar sein sollte, wie der Gerichtshof im Urteil Handte vom 17.6.1992 entschieden hat?


Wertpapiersicherheit und Art. 5 Abs. 1  EuInsVO

Vorabentscheidungsersuchen des Magyar Köztársaság Legfels?bb Bírósága (Republik Ungarn), an den EuGH vom 15.11.2010 – Rs. C-527/10 – ERSTE Bank Hungary Nyrt. ./. Magyar Állam, B.C.L Trading GmbH, ERSTE Befektetési Zrt.

Ist Art. 5 Abs. 1 EuInsVO auf einen Zivilrechtsstreit über das Bestehen eines dinglichen (Sicherungs-) Rechts anwendbar, wenn das Land, in dem sich das als Sicherheit dienende Wertpapier und später der Geldbetrag, durch das es ersetzt wurde, befand, zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in einem anderen Mitgliedstaat noch kein Mitgliedstaat war, wohl aber zum Zeitpunkt der Klageerhebung?


Deliktsort nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO bei Markenverletzung im Internet

Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs (Österreich) an den EuGH vom 10.11.2010 – Rs. C-523/10 – Wintersteiger AG ./. Products 4U Sondermaschinenbau GmbH

Ist die Formulierung „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“ in Art. 5 Nr. 3 EuGVVO bei einem behaupteten Eingriff einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Person in eine Marke des Gerichtsstaats durch Verwendung eines mit dieser Marke identischen Schlüsselworts (AdWord) in einer Internet-Suchmaschine, die ihre Leistungen unter verschiedenen länderspezifischen Top-Level-Domains anbietet, dahin auszulegen,

1.1. dass die Zuständigkeit nur dann begründet ist, wenn das Schlüsselwort auf jener Suchmaschinen-Website verwendet wird, deren Top-level-Domain jene des Gerichtsstaats ist;

1.2. dass die Zuständigkeit allein dadurch begründet ist, dass jene Website der Suchmaschine, auf der das Schlüsselwort verwendet wird, im Gerichtsstaat abgerufen werden kann;

1.3. dass die Zuständigkeit davon abhängt, dass neben der Abrufbarkeit der Website weitere Erfordernisse erfüllt sein müssen?
Wenn Frage 1.3. bejaht wird:

Nach welchen Kriterien ist zu bestimmen, ob bei Verwendung einer Marke des Gerichtsstaats als AdWord auf einer Suchmaschinen-Website mit einer anderen länderspezifischen Top-Level-Domain als jener des Gerichtsstaats die Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO begründet ist?


Intertemporaler Anwendungsbereich der EuGVVO

Vorabentscheidungsersuchen des Nejvyšší soud ?eské republiky (Tschechische Republik) an den EuGH vom 2.11.2010 – Rs. C-514/10 – Wolf Naturprodukte GmbH ./. SEWAR spol. s r. o.

Ist Art. 66 Abs. 2 EuGVVO dahin gehend auszulegen, dass diese Verordnung nur dann zum Tragen kommt, wenn sie zur Zeit des Erlasses der Entscheidung sowohl in dem Staat, dessen Gericht die Entscheidung erlassen hat, als auch in dem Staat, in dem eine Partei die Anerkennung und Vollstreckung dieser Entscheidung begehrt, in Kraft war?


Überprüfung der Grundsätze der Seagon/Deko-Entscheidung

Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Essen (Deutschland) an den EuGH vom 15.10.2010 – Rs. C-494/10 – Dr. Biner Bähr, als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Hertie GmbH ./. HIDD Hamburg-Bramfeld B.V. 1

1. Hält der EuGH auch für den Fall grundsätzlich an seiner Rechtsprechung „Seagon/Deko“ (C-339/07) fest, dass die Gerichte des Mitgliedstaates, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen Anfechtungsgegner, der seinen satzungsgemäßen Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat hat, gemäß Art. 3 Abs. 1 EuInsVO zuständig sind, wenn neben einem Insolvenzanfechtungsanspruch primär Ansprüche aus Kapitalerhaltungsregeln nach einer nationalen gesellschaftsrechtlichen Anspruchsgrundlage, die wirtschaftlich auf dasselbe oder ein quantitatives „Plus“ gegenüber dem Insolvenzanfechtungsanspruch gerichtet und von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens unabhängig sind, geltend gemacht werden?

2. Falls die Frage zu 1. zu verneinen ist: Fällt eine Insolvenzanfechtungsklage, deren Gegenstand zugleich und in erster Linie ein vom Insolvenzverfahren unabhängiger Anspruch ist, der vom Insolvenzverwalter auf eine gesellschaftsrechtliche Anspruchsgrundlage gestützt wird und der wirtschaftlich auf dasselbe oder ein quantitatives „Plus“ gerichtet ist, unter die Bereichsausnahme des Art. 1 Abs. 2 lit. b EuGVVO oder bestimmt sich abweichend von der Entscheidung des EuGH „Seagon/Deko“ (C-339/07) die internationale Zuständigkeit hierfür nach der EuGVVO?

3. Bilden auch dann ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVVO, wenn die Verbindung der streitbeteiligten Parteien lediglich auf eine mittelbare Beziehung zurückzuführen ist, die in einer 100%igen Beteiligung der Konzernmutter an der jeweiligen am Streit beteiligten Gesellschaft besteht?


Eigenständiger Begriff der Eilbedürftigkeit vor dem Internationalen Seegerichtshof

ISGH 23.12.2010 – No.18 – The M/V „Louisa” Case (Saint Vincent and the Grenadines v. Kingdom of Spain)

Zur Eilbedürftigkeit der einstweiligen Anordnung, ein in Spanien festgehaltenes Forschungsschiff freizulassen.


Internationale Zuständigkeit der Fluggast-Entscheidung

BGH 18.1.2011 – X ZR 71/10

Zur gerichtlichen Zuständigkeit für Klagen auf Ausgleichszahlung nach der EU-Fluggastrechteverordnung.


Einwendung der unwirksamen Schiedsabrede im Vollstreckungsverfahren

BGH 16.12.2010 – III ZB 100/09

Nach dem Inkrafttreten des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes vom 22.12.1997, durch das unter anderem § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a.F. aufgehoben worden ist, steht dem Einwand, das ausländische Schiedsgericht sei mangels wirksamer Schiedsvereinbarung unzuständig gewesen, nicht entgegen, dass es der Schiedsbeklagte versäumt hat, gegen den Schiedsspruch im Ausland ein befristetes Rechtsmittel einzulegen.


Keine Vollstreckung von ausländischen Zoll- und Steuerforderungen

BGH 25.11.2010 – VII ZB 120/09

Deutsche Vollstreckungsgerichte sind nicht zuständig für die Vollstreckung in Zoll- und Steuerforderungen der Republik Argentinien.


IPR des Auslandsinvestmentgesetzes

BGH 23.11.2010 – VI ZR 334/09

Zur Anwendbarkeit des Auslandsinvestmentgesetzes auf den Erwerb von Aktien einer nicht börsennotierten Gesellschaft türkischen Rechts.


Anwendungsbereich des Montrealer Übereinkommens

OLG München 26.1.2011 – 7 U 3426/10

Das Montrealer Übereinkommen über die Beförderung im internationalen Luftverkehr ist nicht anwendbar, wenn der Schaden, hier der Verlust des Transportguts, nicht entstand, während sich das Gut in der Obhut des Luftfrachtführers befand und sich auch nicht im Bereich der „Hilfsbeförderung“ ereignete.
(nicht rechtskräftig, mitgeteilt von R’inOLG Neumair)


Materiellrechtliche Einwendungen bei Vollstreckung nach EuGVVO

OLG Saarbrücken 12.1.2011 – 5 W 132/09-48, 5 W 132/09

Im Rahmen des Verfahrens auf Vollstreckbarerklärung nach dem EuGVVO können hinsichtlich der materiellrechtlichen Verurteilung nur liquide (unstreitige oder rechtskräftig festgestellte) Einwendungen berücksichtigt werden. Zum ordre public.


Worldwide Asset Freezing Order verstößt nicht gegen den deutschen ordre public

OLG Nürnberg 22.12.2010 – 14 W 1442/10

1. Eine im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erlassene Anordnung auf weltweite Sicherstellung von Vermögenswerten (Worldwide Asset Freezing Order; im Folgenden WAFO) des High Court of Justice des Vereinigten Königreichs, in welcher dem Vollstreckungsschuldner u.a. untersagt wird, über seine Vermögenswerte bis zu einem bestimmten Gesamtwert in irgendeiner Weise zu verfügen, damit zu handeln oder ihren Wert zu verringern, verstößt nicht gegen den deutschen ordre public im Sinne des Art. 34 Nr. 1 EuGVVO.

2. Die in der WAFO enthaltenen schuldnerschützenden Anordnungen (hier: Abwendungsbefugnis durch Sicherheitsleistung; Gestattung zur Ausgabe bestimmter Beträge für gewöhnliche Lebenshaltungskosten, Rechtsberatung und Vertretung) entfallen unmittelbare Wirkung auch bei der Vollstreckung in Deutschland, so dass der deutsche Exequaturbeschluss insoweit keine Regelungen enthalten muss.

3. Ein Anerkennungshindernis nach Art. 34 Nr. 2 EuGVVO liegt nicht vor, wenn der Vollstreckungsschuldner einen zulässigen Rechtsbehelf gegen den Ursprungstitel eingelegt hat, mit dem er geltend machen konnte, dass ihm das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden sei, dass er sich habe verteidigen können.
Dies gilt auch dann, wenn der Vollstreckungsschuldner von dem Titel erst im Rahmen des Exequaturverfahrens Kenntnis erlangt. Auch in diesem Fall muss er alle in Frage kommenden Rechtsbehelfe im Ursprungsland auszuschöpfen.

4. Eine Aussetzung des Verfahrens gemäß Art. 46 Abs. 1 EuGVVO kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Dem Umstand, dass die Ursprungsentscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangen ist, kommt hierbei keine besondere Bedeutung zu. Gibt der Vollstreckungsschuldner im Ursprungsmitgliedsstaat zu erkennen, dass er mit dem Inkraftbleiben des Titels bis zum Beginn des Hauptsacheverfahrens einverstanden ist, so stellt dies einen gegen die Aussetzung sprechenden Umstand dar.

5. Bei der Entscheidung, ob die Zwangsvollstreckung gemäß Art. 46 Abs. 3 EuGVVO von der Leistung einer Sicherheit durch den Vollstreckungsgläubiger abhängig zu machen ist, ist zu berücksichtigen, ob dieser bereits im Ursprungsmitgliedstaat eine Sicherheit geleistet hat. Eine solche wird nicht dadurch entwertet, dass sie gemäß Anordnung des High Court of Justice auf das Mandantenkonto der englischen Prozessbevollmächtigten des Vollstreckungsgläubigers geleistet wurde, wenn dieser Betrag dem Gericht jederzeit zur Verfügung steht.


Internationalen Zuständigkeit für Darlehensansprüche

OLG München 25.10.2010 – 19 U 2004/10

Zur internationalen Zuständigkeit für die Rückzahlungsansprüche aus Darlehen nach Art. 5 Nr. 1 lit. b bzw. 23 EuGVVO.


Bescheinigungen nach fremdem Vollstreckunsgrecht und funktionelle Zuständigkeit deutscher Gerichte des Erkenntnisverfahrens

LG Itzehoe 30.12.2010 – 1 T 146/10, AG Meldorf 1.11.2010 – 81 C 1140/07

Das Prozessgericht ist verpflichtet, auf Antrag eine Bescheinigung nach Art. 29 (3) des britisch-kolumbianischen Gesetzes zur Vollstreckung gerichtlicher Anordnungen (Court Order Enforcement Act) zu erteilen.


Grenzüberschreitende Zustellung und Sprachenfrage

LG Bonn 30.11.2010 – 10 O 502/09

Zu den erforderlichen Fremdsprachenkenntnissen für die wirksame Zustellung eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks sowie zur Feststellung des für die internationale und örtliche Zuständigkeit maßgeblichen Sitzortes.


Ausfuhrverbote und res extra commercium

Österr. OGH 30.6.2010 – 9 Ob 76/09f

Es kann nicht generell gesagt werden, dass Sachen (hier: chinesische antike Kunstgegenstände), die entgegen eines Ausfuhrverbots irgendwann vor Abschluss des zu prüfenden Vertrags in den internationalen Handel gelangt sind, schon allein wegen des Verstoßes gegen die ausländische Eingriffsnorm „extra commercium“ sind und dass jedes darüber abgeschlossene Rechtsgeschäft schon deshalb nichtig ist.


Anerkennung von punitive damage-Urteilen nach französischem Recht

Franz. Cour de Cassation 1ère civile 1.12.2010 – 09-13.303

Ausländische Urteile, die Strafschadensersatz gewähren, verstoßen grundsätzlich nicht gegen die öffentliche Ordnung und werden anerkannt. Sofern sie aber unverhältnismäßig zum erlittenen Schaden und der Vertragsverletzung sind, liegt ausnahmsweise ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung vor.


Domestic Transaction in Other Securities

U.S. District Court for the Southern District of New York 30.12.2010 – 10 Civ. 532 – Elliott Associates et al. v. Porsche Automobil Holding SE et al. und 10 Civ. 4155 – Diamond Offshore Ltd. Et al. v. Porsche Automobil Holding SE

Ein in den USA erteiltes Kauforder über in Ausland gehandelte Aktien stellt „domestic transaction in other securities“ i.S. von § 10b Security Exchange Act und der Morrison-Entscheidung, 130 S.Ct. 2869, dar.
Entschädigung und Schmerzensgeld bei Verfahrensverschleppung vor Sozialgerichten
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte 16.7.2009, berichtigt am 4.8.2009 –  Nr. 1126/05, D.E. ./. Bundesrepublik Deutschland

1. Art. 6 Abs. 1 EMRK ist auf Rechtsstreitigkeiten der gesetzlichen Sozialversicherung anwendbar, da es sich dabei um „civil right“ handelt.

2. Eine Verfahrensverschleppung bei den Sozialgerichten Deutschlands verletzt Art. 6 Abs. 1 EMRK. Eine dafür zu zahlende angemessene Entschädigung beinhaltet auch die Verurteilung zur Zahlung eines Schmerzensgeldes.
(mitgeteilt und übersetzt von Klaus D. Deumeland)


Veranstaltungshinweise

Im Rahmen des Sommerprogramms 2011 der Haager Akademie für Internationales Recht finden vom 4.–22.7.2011 zunächst Veranstaltungen zum Völkerrecht sowie vom 25.7.–12.8.2011 zum Internationalen Privatrecht statt. Im Bereich des International Privatrechts stehen folgende Themen auf dem Programm: „The Conciliation of Laws”, „The Principle of Comity in Private International Law”, „Methodological Mutations in Contemporary Private International Law”, „Private International Law and the Principle of Non-Discrimination”, „Transaction Planning Using”, „Rules on Jurisdiction and Judgments Recognition”, „Cultural Diversity”, „Cultural Identity in Private International Family Law” und „Intellectual Property: Cross-Border Recognition of Rights and National Development”. Vorträge, die in französischer Sprache gehalten werden, werden simultan ins Englische übersetzt und andersherum. Nähere Informationen finden Sie unter www.hagueacademy.nl.

Die Europäische Rechtsakademie (ERA) veranstaltet am 11./12.4.2011 in Trier eine Konferenz zum Thema „Rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Beziehungen“. Diskutiert werden sollen Schwierigkeiten, denen gleichgeschlechtliche Paare begegnen, die im Ausland leben oder sich in einem anderen Land scheiden lassen bzw. ihre eingetragene Lebenspartnerschaft auflösen wollen, die sich daraus ergeben, dass sich sowohl das materielle Recht als auch der international privatrechtliche Ansatz in den Mitgliedstaaten weitgehend unterscheiden. Auch rechtliche Aspekte von Elternschaft und Leihmutterschaft stehen auf dem Programm sowie verschiedene europa- und völkerrechtliche Fragen wie die von der EMRK garantierten Rechte, Gleichbehandlung und Familienzusammenführung. Tagungssprache ist Englisch. Nähere Informationen und Anmeldung unter http://bit.ly/grscDn.

Die vierte vom Journal of Private International Law veranstaltete Konferenz wird vom 14.–16.4.2011 an der Universität Mailand stattfinden. Vorgesehen sind Vorträge in Gruppen zu den Themen „Treatment of Foreign Law, Preliminary Questions, PIL Treaties”, „Jurisdiction in civil and commercial cases”, „Family law – Adults”, „General PIL”, „Choice of Law in Contract”, „Recognition and enforcement of judgments”, „Choice of Law in Tort/Delict”, „Family Law – children”, „Competition Law and Intellectual Property”, „Trusts and insolvency”, „Choice of Court and Arbitration” und „Class actions, Property and Succession”, sowie in Plenarsitzungen zu den Themen „Theory of PIL and party autonomy”, „Connecting Factors, Law Reform and Model Laws”, „Characterisation, external relations in PIL, declining jurisdiction and choice of law in contract”, „Lex mercatoria, arbitration and consumer protection”, „Torts and Intellectual Property” und „Family law, succession, nationality and Europeanisation of PIL”. Anmeldung und Buchung universitärer Unterbringung bei Dr. Giuseppe Serranò and Paola Carminati at unter jpil_2011@unimi.it; vollständiges Programm und nähere Informationen unter http://conflictoflaws.net/2010/journal-of-private-international-law-conference-2011-milan-programme-and-registration/.

Stand: 04.01.2011 

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