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Neueste Informationen Heft 1/2023

 

Stellenausschreibung Köln

Am Institut für internationales und ausländisches Privatrecht der Universität zu Köln (Prof. Dr. Dr. h.c. Mansel) ist eine Stelle als

Wissenschaftliche/r Mitarbeiter/in (w/m/d)

ausgeschrieben (Stellenausschreibung). Die Stelle ist ab 1.3.2023 zunächst als Teilzeitstelle (19,92 Wochenstunden) zu besetzen. Sie ist bis zum 31.3.2025 befristet. Sie könnte, abhängig von der wissenschaftlichen Qualifikation, nach kurzer Zeit auf eine Vollzeitstelle (39,83 Wochenstunden) aufgestockt werden. Gelegenheit zur wissenschaftlichen Qualifikation (Promotions- oder Postdoc-Phase) wird gegeben. Die Beherrschung der englischen Sprache und mindestens ein überdurchschnittliches juristisches Staatsexamen im deutschen Recht werden vorausgesetzt. Fremdsprachenkenntnisse in einer der folgenden Sprachen sind nicht zwingend, aber von Vorteil: Niederländisch, Italienisch, Spanisch oder Französisch. Sofern die tariflichen Voraussetzungen vorliegen, richtet sich die Vergütung nach der Entgeltgruppe 13 TV-L. Die Universität zu Köln fördert auch in ihren Beschäftigungsverhältnissen Chancengerechtigkeit und Vielfalt. Frauen werden ausdrücklich zur Bewerbung eingeladen und nach Maßgabe des LGG NRW bevorzugt berücksichtigt. Bewerbungen von Menschen mit Schwerbehinderung und ihnen Gleichgestellte sind willkommen. Sie werden bei entsprechender Eignung bevorzugt berücksichtigt.

Bitte senden Sie Ihre aussagekräftige Bewerbung mit den üblichen Unterlagen in einer PDF-Datei bis zum 11.1.2023 an ipr-institut@uni-koeln.de., z.Hd. Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Mansel.

 

Vorschlag einer EU-Abstammungs-VO mit Europäischem Elternschaftszertifikat

Am 7.12.2022 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung von Entscheidungen und die Annahme amtlicher Urkunden in Fragen der Elternschaft sowie zur Einführung eines Europäischen Elternschaftszertifikats (COM(2022) 695 final) mit dem Ziel angenommen, die Vorschriften des internationalen Privat- und Verfahrensrechts in Bezug auf die Elternschaft auf EU-Ebene zu harmonisieren. Dadurch soll insbesondere der Schutz der Grundrechte von Kindern in grenzüberschreitenden Situationen gestärkt werden.

 

Art. 23 Abs. 1 und 2 LugÜ 2007: AGB-Gerichtsstandsabrede durch Hyperlinkverweis

EuGH 24.11.2022 – C-358/21 – Tilman SA ./. Unilever Supply Chain Company AG

Art. 23 Abs. 1 und 2 LugÜ 2007 ist dahin auszulegen, dass eine Gerichtsstandsklausel wirksam vereinbart ist, wenn sie in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist, auf die ein schriftlich abgeschlossener Vertrag durch Angabe des Hyperlinks zu einer Website hinweist, über die es möglich ist, diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Kenntnis zu nehmen, herunterzuladen und auszudrucken, ohne dass die Partei, der diese Klausel entgegengehalten wird, aufgefordert worden wäre, diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch Anklicken eines Feldes auf dieser Website zu akzeptieren.

 

Art. 2 Nr. 4, 21 Abs. 1 EuEheVO: EuGVVO erfasst Privatscheidungen nach italienischem Recht

EuGH 15.11.2022 – C-646/20 – TB ./. Standesamt Mitte von Berlin, RD

Art. 2 Nr. 4 EuEheVO ist namentlich für die Zwecke der Anwendung von Art. 21 Abs. 1 EuEheVO dahin auszulegen, dass eine von einem Standesbeamten des Ursprungsmitgliedstaats errichtete Scheidungsurkunde, die eine Vereinbarung der Ehegatten über die Ehescheidung enthält, die sie vor dem Standesbeamten getreu den in den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats vorgesehenen Bedingungen bestätigt haben, eine „Entscheidung“ im Sinne von Art. 2 Nr. 4 EuEheVO darstellt.

 

Art. 1, 3, 17 EuBewVO: EuBewVO verbietet Rückgriff auf beweisrechtliche lex fori „nicht unbedingt“

EuGH 8.9.2022 – C-188/22 – VP ./. KS

Die Art. 1 und 17 EuBewVO sind dahin auszulegen, dass ein Gericht eines Mitgliedstaats, das beabsichtigt, einen Zeugen zu vernehmen, der in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, im Rahmen dieser Beweisaufnahme nicht unbedingt die Methoden anwenden muss, die die angeführte Verordnung vorsieht, sondern befugt ist, gemäß dem Recht des Mitgliedstaats, zu dem dieses Gericht gehört, auf die schriftliche Vernehmung dieser Person zurückzugreifen, und zwar ohne Erteilung einer Genehmigung durch die Zentralstelle oder die zuständige Behörde des ersuchten Mitgliedstaats im Sinne von Art. 3 EuBewVO.

 

Art. 8 Abs. 1 EuZustVO und Begrenzungen der lex fori

EuGH 5.5.2022 – C-346/21 – ING Luxembourg     

1. Art. 8 Abs. 1 EuZustVO ist dahin auszulegen, dass er vorschreibt, dass der Empfänger eines in einem anderen Mitgliedstaat zuzustellenden gerichtlichen Schriftstücks unter allen Umständen unter Verwendung des Formblatts in Anhang II der EuZustVO über sein Recht zu informieren ist, die Annahme dieses Schriftstücks zu verweigern, und zwar auch dann, wenn dieses in einer Sprache, die dieser Empfänger versteht, oder der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Ortes, an dem die Zustellung erfolgen soll, abgefasst oder eine Übersetzung in eine dieser Sprachen beigefügt ist.

2. Die EuZustVO ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Unwirksamkeit der Zustellung eines gerichtlichen Schriftstücks in einem anderen Mitgliedstaat vorsieht, falls diese erfolgt, ohne dass der Empfänger dieses Schriftstücks unter Verwendung des Formblatts in Anhang II der EuZustVO über sein Recht informiert wurde, die Annahme dieses Schriftstücks zu verweigern, wenn dieses nicht in einer der in Art. 8 Abs. 1 EuZustVO genannten Sprache abgefasst oder ihm keine Übersetzung in eine dieser Sprachen beigefügt ist, und das unabhängig davon, ob diese nationale Regelung eine bestimmte Frist für diesen Empfänger festlegt, um diese Unwirksamkeit geltend zu machen.

 

Günstigkeitsvergleich zwischen Art. 4 und 6 Abs. 1 Rom I-VO ?

Vorabentscheidungsersuchen des OLG Wien (Österreich) 28.6.2022 (eingereicht) – C-429/22

Ist Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO dahin auszulegen, dass das Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, dann nicht anzuwenden ist, wenn das nach Art. 4 Rom I-VO anzuwendende Recht, dessen Anwendung der Kläger begehrt und das anzuwenden wäre, wenn dem Kläger die Verbrauchereigenschaft fehlen würde, für den Kläger günstiger ist?

 

EuGVVO-Auslandsbezug allein durch Gerichtsstandsabrede?

Vorabentscheidungsersuchen des Nejvyšší soud (Tschechische Republik) 14.6.2022 – C-566/22

Wird die Anwendbarkeit der EuGVVO im Hinblick auf das Vorliegen eines internationalen Bezugs, der für die Anwendbarkeit der EuGVVO erforderlich ist, allein dadurch begründet, dass zwei in demselben Mitgliedstaat ansässige Parteien die Zuständigkeit der Gerichte eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union vereinbaren?

 

Ungarische Straßenmaut vor Zivilgericht: Ordre public und Fremdwährungsschuld

BGH 28.9.2022 – XII ZR 7/22

1. Die nicht vorab entrichtete ungarische Straßenmaut kann gegen einen inländischen Halter des Fahrzeugs vor den deutschen Zivilgerichten geltend gemacht werden.

2. Die Bestimmungen des ungarischen Rechts verstoßen weder hinsichtlich der in § 15 Abs. 2 des ungarischen Straßenverkehrsgesetzes angeordneten alleinige Schuldnerschaft des Fahrzeughalters noch hinsichtlich der in § 7/A Abs. 10 und Anlage 1 der Mautverordnung bestimmten Grundersatzmaut sowie der erhöhten Zusatzgebühr gegen den deutschen ordre public.

3. Fremdwährungsschulden sind als solche, also in fremder Währung, einzuklagen; eine auf die falsche Währung gerichtete Zahlungsklage ist abzuweisen (im Anschluss an BGH Urteil vom 29. Mai 1980 – II ZR 99/79 – NJW 1980, 2017).

 

Leistung von Prozesskostensicherheit durch UK- bzw. CH-Kläger

BGH 27.9.2022 – VI ZR 68/21

1. Kläger, die natürliche Personen mit der Staatsangehörigkeit des Vereinigten Königreichs sind, sind nach § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit Art. 9 Abs. 1 des Europäischen Niederlassungsabkommens vom 13. Dezember 1955 von der Verpflichtung zur Leistung einer Prozesskostensicherheit befreit. Die Befreiung von der Pflicht zur Sicherheitsleistung in § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist nicht von der Verbürgung der Gegenseitigkeit abhängig, sodass sich der von der Regierung des Vereinigten Königreichs zu Art. 9 des Europäischen Niederlassungsabkommens erklärte Vorbehalt, die Absätze 1 und 2 so anzuwenden, als seien die Worte „oder keinen Wohnsitz oder Aufenthalt im Inland“ in Absatz 1 nicht enthalten, nicht auswirkt.

2. Kläger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz haben, sind nach § 110 Abs. 2 Nr. 2 ZPO in Verbindung mit Art. 32, 38 ff. LugÜ 2007 von der Verpflichtung zur Leistung einer Prozesskostensicherheit befreit.

(Leitsätze von Mira Lindenberger, Köln)

 

Art. 20 EuZustVO nur bei Zustellung eines Dokuments im Parteibetrieb nach nationalem Recht

OLG Brandenburg 10.11.2022 – 6 W 52/22

1. Das Vorgehen nach Art. 20 EuZustVO, der bestimmt, dass jeder an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligte gerichtliche Schriftstücke unmittelbar durch Amtspersonen, Beamte oder sonstige zuständige Personen des Empfangsmitgliedstaates zustellen lassen kann, wenn eine solche unmittelbare Zustellung nach dem Recht dieses Mitgliedsstaates zulässig ist, setzt – als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal – voraus, dass die Zustellung des betreffenden Schriftstücks nach dem Recht des Staates, in dem das Verfahren geführt wird, im Parteibetrieb zu erfolgen hat, weil es sich sonst aus dessen Sicht nicht um einen wirksamen Zustellungsvorgang handeln kann.

2. Die Verordnung trifft keine Regelungen im Hinblick auf das „Ob“ einer Zustellung von Amts wegen oder im Parteibetrieb, sondern gestaltet lediglich die nach dem nationalen Recht jeweils vorgesehene Zustellungsart aus. Mithin werden die nach der lex fori processualis einzuhaltenden Voraussetzungen für die Wirksamkeit eines vollstreckbaren Titels durch die Regelungen der EuZustVO nicht berührt, sondern vorausgesetzt.

3. Die in Art. 20 EuZustVO vorgesehenen Erleichterungen können daher nur dann in Anspruch genommen werden, wenn das maßgebliche nationale Recht eine Zustellung eines Dokuments im Parteibetrieb zulässt.

4. Nach dem deutschen Recht ist die Zustellung von im schriftlichen Vorverfahren gem. § 331 Abs. 3 ZPO erlassenen Versäumnisurteilen nach § 166 Abs. 2 ZPO zwingend von Amts wegen vorzunehmen. Eine Zustellung im Parteibetrieb genügt nicht, sodass Art. 20 EuZustVO keine Anwendung findet.

(Leitsätze von Mira Lindenberger, Köln)

 

Art. 13 Abs. 1 lit. b) HKÜ: Keine Kindesrückführung in die Ukraine und Kampfhandlungen

OLG Stuttgart 13.10.2022 – 17 UF 186/22

Der Rückführung eines von einem Elternteil nach Deutschland entführten minderjährigen Kindes in die Ukraine nach den Bestimmungen des HKÜ steht wegen der Kampfhandlungen in der Ukraine derzeit die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 lit. b) HKÜ entgegen. Eine schwerwiegende Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für ein Kind i.S.d. Art. 13 Abs. 1 lit. b) HKÜ besteht derzeit auf dem gesamten Staatsgebiet der Ukraine.

 

§ 107 FamFG: Anerkennung iranischer Khol-Scheidung als gerichtliche Scheidung

OLG Braunschweig 10.10.2022 – 5 VA 1/22

Die sog. Khol-Scheidung nach iranischem Recht ist als Kombination der gerichtlichen Feststellung des Scheiterns der Ehe in dem nach §§ 8 ff. des iranischen Gesetzes zum Schutze der Familie vom 04.02.1975 (FamSchutzG) durchzuführenden Verfahren und der anschließenden notariellen Registrierung gemäß § 107 FamFG als gerichtliche Scheidung anerkennungsfähig. Die Gerichtsentscheidung, die die Unmöglichkeit einer Versöhnung feststellt, ist für die Scheidung konstitutiv, da nach deren Erlass keiner der Ehegatten allein den Vollzug der Scheidung mehr verhindern kann.

 

Art. 6 EuVTVO: Vollstreckbarerklärung und Verbraucher als Schuldner

LAG Berlin-Brandenburg 8.11.2022 – 26 Ta (Kost) 6228/21

1. Art. 6 EuVTVO regelt die Voraussetzungen für die Erteilung einer Vollstreckbarerklärung im Anschluss an ein Verfahren, in dem die in Deutschland titulierte Forderung unbestritten geblieben ist.

2. Eine Einschränkung sieht die Norm für den Fall vor, dass der Schuldner Verbraucher ist. In diesem Fall kann die Vollstreckbarerklärung nur erteilt werden, wenn der Schuldner in dem Mitgliedsstaat, in dem die Entscheidung getroffen worden ist, im maßgeblichen Zeitpunkt einen Wohnsitz unterhält.

3. Der Begriff „Verbraucher“ i.S.v. Art. 6 Abs. 1 lit. d) EuGVVO bezieht sich dabei auf eine Person, die einen Vertrag zu einem Zweck, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann, mit einer Person geschlossen hat, die in Ausübung ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt (vgl. EuGH 5. Dezember 2013 – C50812 C-508/12, Rn. 38).

4. Entgegen der Rechtslage unter der EuGVVO a.F., nach der die Vollstreckungswirkung nicht anerkannt wurde und erst im Vollstreckungsstaat durch das Exequatur verliehen werden musste (Art. 38–52 EuGVVO a.F.), sind heute allerdings Entscheidungen aus Mitgliedstaaten hinsichtlich der Vollstreckbarkeit inländischen gleichgestellt.

5. Nach Art. 27 EuVTVO stehen dem die für unbestrittene Forderungen in der EuVTVO zusätzlich geschaffenen Möglichkeiten nicht entgegen.

 

Regelmäßig öffentliche Zustellung da gerichtsbekannt keine Zustellung in China

LG Krefeld 6.10.2022 – 7 O 156/20

1. Es ist gerichtsbekannt und entspricht den Erfahrungen anderer Gerichte, dass die chinesischen Behörden Zustellungsersuchen nicht erledigen. Deshalb kann an Beklagte mit Wohnsitz in China die öffentliche Zustellung der Klageschrift und des Versäumnisurteils nach § 185 Nr. 3 ZPO bewilligt werden.

2. Die mangelnde Bereitschaft eines ausländischen Staates, Zustellungsersuchen zu erledigen, folgt insbesondere daraus, dass seine mit der Zustellung beauftragten Beamten von einer Zustellung unter der Anschrift des Zustellungsempfängers deshalb absehen, weil ein Nachbar behauptet, der Zustellungsempfänger sei schon länger nicht mehr zu Hause gewesen.

(Leitsätze von Felix Fuchs, Köln)

 

Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO und Ryanair: AGB-Recht engt Wählbarkeit der Beförderungsrechte auch bei Verbrauchervertrag nicht ein

AG Frankfurt 21.10.2022 – 32 C 2669/22

1. Hat der Beförderer seinen gewöhnlichen Aufenthalt bzw. seine Hauptverwaltung in Irland, so ist das irische Recht nach Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 lit. b) und lit. c) Rom I-VO wählbar. Die Zulassung der beschränkten Rechtswahl wie in Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Rom I-VO bedeutet zugleich, dass die Wahl eines Rechts aus dem Kreis der dort enumerativ für wählbar erklärten Rechtsordnungen unter Abwahl der anderen dort genannten Rechtsordnungen zulässig ist. Diese eng begrenzte Möglichkeit der Rechtswahl enthält die Wertung, dass jede zur Auswahl gestellte Rechtsordnung in räumlicher Hinsicht nicht unfair oder überraschend und einer eventuell schwächeren Partei zuzumuten ist, auch wenn das gewählte Recht dem Verbraucher inhaltlich unbekannt ist.

2. Diese Wertentscheidung lässt sich auch nicht durch Wertungen des AGB-Rechts korrigieren. Das Gemeinschaftsrecht nimmt eine Verkürzung des Verbraucherschutzes zu Gunsten einer (eingeschränkten) Rechtswahl in Kauf, weshalb Erwägungen des Verbraucherschutzes nicht gegen die Wirksamkeit einer entsprechenden Rechtwahlklausel vorgebracht werden können.

3. Einer Information der zu befördernden Person über die eingeschränkte Wahlmöglichkeit bedarf es nicht. Dies würde letztlich auf die Wiederholung des Gesetzestextes als Rechtsgrundlage für die vorgenommene Rechtswahl hinauslaufen.

4. Die formularmäßige Wahl zu Gunsten des irischen Rechts durch einen in Irland ansässigen Beförderer ist auch nicht überraschend. Vielmehr ist es mehr als naheliegend, dass eine in Irland ansässige Fluggesellschaft ihre Verträge dem irischen Recht unterstellt.

(Leitsätze von Mira Lindenberger, Köln)

 

Art. 24 Nr. 5 EuGVVO: Parallelvollstreckung in mehreren Mitgliedsstaaten zulässig

OGH 29.9.2022 – 3 Ob 126/22h

1. Art. 24 Nr. 5 EuGVVO bestimmt die ausschließliche Zuständigkeit für Verfahren, welche eine bereits in Gang gesetzte Zwangsvollstreckung betreffen, nicht jedoch für die Einleitung eigener Zwangsvollstreckungsverfahren. Mithin sind Zwangsvollstreckungsverfahren in mehreren Mitgliedstaaten zur Durchsetzung desselben vollstreckbaren Urteils nicht ausgeschlossen.

2. Diesem Ergebnis steht weder ein abzulehnender mittelbarer Eingriff in das zuerst anhängige Zwangsvollstreckungsverfahren durch eine abweichende Entscheidung des späteren Zwangsvollstreckungsverfahrens entgegen. Noch entfaltet Art. 55 EuGVVO in dieser Konstellation eine Sperrwirkung, indem diese Norm nur dann anwendbar ist, wenn die in einem Mitgliedstaat ergangene Entscheidung auf Zahlung eines Zwangsgeldes in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt werden soll.

(Leitsätze von Karin Jackwerth, Köln)

 

Art. 13 Abs. 1 lit. b) HKÜ: Gefahr möglicher orthopädische Fehlstellungen (Plattfüße) steht Kindesrückführung nicht entgegen

OGH 14.9.2022 – 6 Ob 176/22h

Bei der Rückführung von Kindern kann eine gesundheitliche Gefährdung dieser nur dann relevant sein, wenn Umstände behauptet werden, mit denen eine „schwerwiegende Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind“ nach Art. 13 Abs. 1 lit. b) HKÜ verbunden ist. Der Ausnahmetatbestand des Art. 13 Abs. 1 lit. b) HKÜ, der einer Rückführung entgegenstehen könnte, ist indes eng auszulegen und auf wirklich schwere Gefahren zu beschränken. Langsam voranschreitende orthopädische Fehlstellungen der Kinder (Skoliose und Plattfüße) stellen keine schwerwiegende Gefahr in diesem Sinne dar.

(Leitsatz von Mira Lindenberger, Köln)

 

Art. 22 EuErbVO und Mehrstaater

OGH 6.9.2022 – 2 Ob 107/22g

Wenn ein Erblasser mit deutscher und österreichischer Staatsbürgerschaft und gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich in seiner letztwilligen Verfügung gemäß Art. 22 EuErbVO deutsches Erbrecht gewählt hat, kann der Beschluss eines österreichischen erstinstanzlichen Gerichts über seine internationale Unzuständigkeit grundsätzlich mithilfe eines Revisionsrekurses im Rahmen des § 62 Abs. 1 AußStrG angefochten werden. Für eine erfolgreiche Anfechtung ist es notwendig, dass sich die Rechtsmittelwerber mit rechtlichen Argumenten und nicht lediglich mit faktischen Hinweisen gegen eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage wenden.

(Leitsatz von Karin Jackwerth, Köln)

 

Art. 4 EuErbVO: Österreichischer örtlicher Notgerichtsstand

OGH 28.7.2022 – 2 Nc 36/22z

1. Wenn gemäß Art. 4 EuErbVO die internationale Zuständigkeit österreichischer Gerichte gegeben ist und die nationalen Vorschriften zur Bestimmung der örtlichen, sachlichen und funktionalen Zuständigkeit mangels inländischen Wohnsitzes, gewöhnlichen Aufenthalts oder Vermögens keinen inländischen Gerichtsstand zu bestimmen vermögen, ist das zuständige inländische Gericht nach Kriterien der Sach- und Parteinähe sowie Zweckmäßigkeit auszuwählen.

2. Soweit bereits ein mit der betreffenden Erbschaft oder dem betreffenden Vermächtnis in Zusammenhang stehendes Verfahren an einem österreichischen Gericht erfolgt ist, kann anhand der genannten Kriterien das sachlich zuständige Gericht am Ort dieses Gerichts für zuständig erklärt werden.

(Leitsätze von Karin Jackwerth, Köln)

 

 

Veranstaltungshinweise

 

  • Am 20. Januar 2023 veranstaltet die Forschungsstelle für notarielle Rechtsgestaltung in der Aula der Neuen Universität der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg eine Nachmittagstagung zur Evaluation der EuErbVO. Eine europaweite Studie (MAPE Successions) vom Rat der Notariate der EU unter Mitwirkung der Bundesnotarkammer zu den Erfahrungen und Erwartungen der Praxis mit der EuErbVO, welche zehn Jahre nach ihrem Inkrafttreten im August 2015 zur Evaluation ansteht, zum Anlass nehmend, bestimmt die Tagung Ausgangspunkte, heutige Eckpunkte und künftige Zielpunkte der Diskussion aus wissenschaftlicher und aus notarieller Sicht. Die Veranstaltung wird simultan auf Deutsch, Englisch und Französisch verdolmetscht. Die Teilnahme an der Tagung ist kostenfrei. Die Anmeldung ist bis zum 5. Januar 2023 möglich und erfolgt via E-Mail: notareg@igr.uni-heidelberg.de. Weitergehende Informationen unter: https://www.jura.uni-heidelberg.de/igr/notareg/veranstaltungen.html.
  • Am 8. Februar 2023 um 17:00 Uhr findet am Institut für Privat- und Prozessrecht der Georg-August-Universität Göttingen der Workshop IPR und Rechtsvergleichung als hybride Veranstaltung mit einem Vortrag von Frau Professorin Dr. Caroline Sophie Rupp, MPhil. (Cantab.) (Universität zu Kiel) unter dem Titel „Raritäten und Relikte: Kollisionsregeln in bilateralen Staatsverträgen und das EU-IPR“ statt. Der Vortrag befasst sich mit der methodisch interessanten Frage nach dem Anwendungsverhältnis von staatsvertraglichem zu EU-IPR, welches insbesondere im Internationalen Familien- und Erbrecht relevant wird. Weitergehende Informationen unter: https://www.reusz.eu/workshop-ipr.
  • Am 13. und 14. April 2023 veranstalten das Institut für Europäisches Schadenersatzrecht (Institute for European Tort Law, ETL) und das Europäische Zentrum für Schadenersatz- und Versicherungsrecht (European Centre of Tort and Insurance Law, ECTIL) die 22. jährliche Konferenz zum Europäischen Schadenersatzrecht (Annual Conference on European Tort Law, ACET) in Wien. Die Konferenz wird die wichtigsten Entwicklungen im Schadenersatzrecht in Europa im Jahre 2022 hervorheben (Länderberichte, Prospekthaftung). Referieren werden u.a. Matthias Lehmann (Universität Wien), Danny Busch (Radboud University of Nijmegen), Marc I. Steinberg (Dedman School of Law, Texas), Paola Lucantoni (LUISS, Rom) und Vino L. Timmermann (Erasmus University Rotterdam). Die Special Session am 14. April ist im Livestream offen zugänglich. Weitergehende Informationen und Registrierung unter: www.acet.ectil.org.
  • Vom 31. Juli bis zum 18. August 2023 findet der Sommerkurs der Haager Akademie für Internationales Recht zum Internationalen Privatrecht statt. Eröffnet wird der Kurs mit einer Vorlesung von Maarit Jänterä-Jareborg zum Thema „Women´s Rights in a World in Transition: The Challenges of Private International Law“. Der Hauptkurs hat in diesem Jahr den Titel „Responses to a Legally Fragmented World: A Private Law Perspective“ und wird von Francisco Garcimartín gehalten. Online-Registrierung zwischen dem 1. November 2022 und dem 31. Januar 2023 erforderlich. Weitergehende Informationen und Registrierung unter: https://www.hagueacademy.nl/programmes/the-summer-courses/.

 

 

 

 

 

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